„Blonder Blitz“ wird 75: Armin Hary schaut nicht zurück

Berlin (dpa) - Sein Blitzstart hat ihn einst berühmt gemacht, auf der Party zu seinem 75. Geburtstag will es Armin Hary mal ganz ruhig angehen lassen.

„Wer kommen will, soll kommen. Ich lade keinen ein. Aber von acht Uhr früh bis Mitternacht haben wir ein offenes Haus. Um die Feier kümmert sich sowieso meine Frau - ich weiß nicht mal, ob wir einen Kühlschrank haben“, sagte der frühere Weltklasse- Leichtathlet in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Der erste 10,0-Sekunden-Sprinter der Welt und zweimalige Olympiasieger vollendet am 22. März ein Dreiviertel-Jahrhundert seines bewegten und bewegenden Lebens.

Für den Sunnyboy auf der Aschenbahn war auch die Karriere wie ein Sprint: kurz und heftig. Andere hätten sich diese vier tollen Jahre, von 1957 bis Ende 1960, gewünscht. Als 100-Meter-Weltrekordler wurde der Saarländer am 21. Juni 1960 über Nacht weltberühmt. Zweimal holte „Hurry Hary“ Olympia-Gold (Rom 1960), zwei EM-Titel waren das Warmup (Stockholm 1958). Dennoch ist sein Haus im bayerischen Adelhausen bei Landshut alles andere als ein Sportmuseum. „Meine vier Medaillen liegen im Moment im Safe. Ich werde nichts vom Sport erzählen, in meinem Haus weist nichts darauf hin.“

Hary genießt sein Leben, er ist noch aktiv, treibt viel Sport - der Mann lebt im Hier und Heute. „Ich schaue nicht zurück. Und ich kann mich nicht jeden Tag vor den Spiegel stellen und sagen, was ich vor 50 Jahren für ein toller Hecht war.“ Gute Zeiten, schlechte Zeiten, Höhen und Tiefen, Siege und Niederlagen - jede „Zugabe“ weiß der vitale Veteran heute zu schätzen. Deshalb sagt er auch: „Für mich ist morgen der erste Tag vom Rest meines Lebens.“

Mit seinem Weltrekord auf der prestigeträchtigsten Lauf-Distanz schrieb das Multi-Talent vor knapp 52 Jahren Sportgeschichte. Doch der „blonde Blitz“ brauchte drei Anläufe, bis die 10,0 schließlich in den Rekordbüchern stand. Schon am 6. September 1958 rannte er diese von allen gejagte Zeit bei einem Provinz-Sportfest in Friedrichshafen. Aber die Aschenbahn wies auf 100 Metern ein Gefälle von 10,9 Zentimeter auf - 9 Millimeter zu viel.

Im Zürcher Letzigrund lieferte der schlanke Sprinter mit dem explosiven Start am 21. Juni 1960 schließlich ein bühnenreifes Spektakel. Dabei wollte ihn der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) wegen eines Hickhacks um die Olympia-Norm zunächst überhaupt nicht starten lassen. Hary siegte in 10,0 Sekunden, doch das Rennen wurde wegen eines angeblichen Fehlstarts annulliert. Der Starter hatte sich nicht getraut, das Feld zurückzuschießen.

Ein deutscher Journalist brachte Hary darauf, eine Wiederholung des Laufes zu fordern, was dieser sowieso vorhatte. 35 Minuten später sprintete Hary noch einmal die 100 Meter in - 10,0 Sekunden. Auch bei den Olympischen Spielen 1960 in Rom produzierte er im Endlauf einen Fehlstart, siegte dann aber vor dem zeitgleichen Amerikaner Dave Sime (beide 10,2).

Der Sohn eines Bergmanns musste sich immer durchkämpfen. Er spielte Handball und Geige, erst spät erwachte seine Liebe zur Leichtathletik. Das Multi-Talent war Feinmechaniker, Sportstudent, Tellerwäscher, Kaufmann, Immobilienmakler und Baustoffgroßhändler. Nach einem Autounfall im November 1960 kam er nie wieder richtig in Form - im Mai 1961 erklärte der Olympiasieger seinen Rücktritt. Der DLV hatte seinen Superstar zuvor für ein paar Monate gesperrt, weil er in einem Interview gesagt hatte: „Die Funktionäre sollten für die Athleten da sein und nicht umgekehrt.“

Hary ist seit Jahren für die Kinder da - und nicht nur für seine eigenen, Armin und Diana. Seit 2006 engagiert er sich für die „Initiative zur kommunalen Förderung jugendlicher Sporttalente“, kurz AHA-F. Rechtzeitig zum Jubiläum hat der nimmermüde Rentner ein ganz besonderes Buch herausgebracht: „Mein Gold für Deutschland“.

Dieses Sport- und Zeitdokument hält er selbst für eine „ganz verrückte Geschichte“. Jeder Käufer erhält ein Unikat - und ist darin mit einem eigenen Foto verewigt. Rund 50 Exemplare hat Hary praktisch schon „blind“ verkauft. Der Erlös kommt jungen Talenten zugute, „die sonst für den Sport verloren wären“.