Craft-Akt führt zum Diskus-Glück
Zürich (dpa) - Die schwarz-rot-goldene Deutschland-Girlande stand ihr wirklich gut, doch der Bronzeglanz überstrahlte alles: Shanice Craft war so glücklich wie noch nie in ihrem Sportlerleben.
„Nach dem letzten Wurf sind mir die Tränen gekommen“, gestand die junge Diskuswerferin eine Stunde nach ihrem Craft-Akt im Züricher Letzigrund-Stadion. Mit 21 Jahren gleich Dritte bei ihrer ersten Leichtathletik-Europameisterschaft - das ist doch was. „Einfach geil! Das ist die wertvollste Medaille, die ich bisher gewonnen habe. Unbeschreiblich“, sagte die deutsche Meisterin aus Mannheim.
64,33 Meter reichten im Finale zum dritten Platz. Vor einem Jahr hätte sie von einer EM-Medaille höchstens träumen können. „Letztes Jahr hatte ich ständig Adduktorenprobleme. Ich habe schon gezweifelt, ob ich weiter Diskuswerfen kann“, erklärte Shanice Craft, eine Frohnatur, dabei immer ruhig, gelassen und bescheiden. Das scheint auch im Leistungssport ihr großes Plus zu sein. „Ich gehe ruhig und selbstbewusst in den Wettkampf. Ich bin einfach ein Wettkampftyp.“
Und erst Sandra Perkovic! Die Kroatin spielt in ihrer eigenen Liga. Mit 24 Jahren feierte sie nun den goldenen EM-Hattrick und haute richtig einen raus: 71,08 Meter - seit 22 Jahren hat keine Diskuswerferin die Ein-Kilo-Scheibe weiter geschleudert. Die Berlinerin Julia Fischer, Fünfte mit fast zehn Metern Rückstand auf Perkovic, meinte anerkennend: „Sie hat 'ne Wahnsinns-Peitsche und eine super Technik.“ Ihren eigenen Platz fand sie „okay“, mit der Weite war die Freundin von Diskus-Olympiasieger Robert Harting dagegen „überhaupt nicht zufrieden“.
Auch Shanice Craft verbeugte sich vor der großen Rivalin aus Kroatien. „Bei einer EM 71,08 zu werfen - Respekt. Aber sie ist nun mal die Nummer 1.“ Vor dem letzten Versuch habe ihr Perkovic sogar noch einmal Mut gemacht. „Go, Shanice!“ Silber ging an die Französin Mélina Robert-Michon (65,33). Direkt hinter ihrer Teamkollegin Craft landete Anna Rüh aus Neubrandenburg (62,46 Meter) auf dem vierten Rang. „Ich bin überglücklich mit der Weite“, sagte sie. „Der Wettkampf wird mir in sehr guter Erinnerung bleiben.“
Wie Kollegin Rüh wird auch Craft schon in zehn Tagen nach Zürich zurückkommen: am 28. August steigt im Letzigrund das „Weltklasse“-Meeting. EM-Bronze war für sie die Krönung - 2014 ist das Jahr der Shanice Craft: Bei der Team-EM in Braunschweig war sie Zweite, beim Meeting in Eugene/USA kassierte sie für diesen Platz 6000 Dollar Prämie. Bei den „Deutschen“ in Ulm gewann das vielseitige Talent den Titel im Diskusring und Bronze im Kugelstoßen.
Ob sie weiter zweigleisig fährt? Klares Ja. „Ich bin eine Diskuswerferin, die weit die Kugel stößt. Und das wird auch so bleiben.“ So wie ihr Motto, ihre Maxime fürs Leben und für den Sport, sie zeigt es als Tattoo im Ausschnitt: „I was, I am, I will always be free“ - ich war, ich bin und werde immer frei sein.