Das stille Comeback von Campbell-Brown
Sopot (dpa) - Veronica Campbell-Browns finaler Sprint dauerte 7,13 Sekunden, Platz 5, die Twitter-Meldung hatte drei Zeilen: „Ich habe den Kampf gut durchgestanden, ich habe das Rennen beendet, ich habe mir meinen Glauben bewahrt.
Glückwunsch an alle Frauen. Guter Job.“
Für die Sprinterin war das fast schon eine Ansprache. Denn viele Worte hatte die dreimalige Sprint-Olympiasiegerin aus Jamaika bei ihrem Comeback nicht verloren. Nach ihrem 60-Meter-Vorlauf raste die 31-Jährige bei der Hallen-WM in Sopot so schnell durch die Mixed Zone, als hätte sie den Zielstrich übersehen.
„Natürlich fühle ich mich im Wettkampf nach so langer Zeit ein wenig eingerostet“, sagte Campbell-Brown. Und: „Ich musste hier niemandem etwas beweisen.“ Längere Statements wären der Kurzsprinterin wohl peinlich gewesen. Denn eigentlich sollte „VCB“ gar nicht hier sein. Nach einer monatelangen, ziemlich merkwürdigen Dopingaffäre wurde sie erst vor zwei Wochen von den Vorwürfen entlastet. Eine Berufungsinstanz des Weltverbandes IAAF hatte eine zweijährige Sperre für Campbell-Brown empfohlen, diese Sanktion aber nicht öffentlich gemacht.
So kam der Freispruch durch den Internationalen Sportgerichtshof in Lausanne am 25. Februar wie aus heiterem Himmel. Knapp zehn Monate nach ihrem positiven Dopingtest hoben die CAS-Richter die Suspendierung der Titelverteidigerin auf. An einen „Hattrick“ glaubte Campbell-Brown nach WM-Gold 2010 und 2012 auf der kurzen Sprintstrecke aber selbst nicht. Ihr bis dato letzter Wettkampf war am 1. Juni 2013 in Eugene. Pikant: Die 10,78 Sekunden über 100 Meter waren für die Jamaikanerin praktisch die „Eintrittskarte“ zur Hallen-WM in Sopot.
Deutschlands Top-Sprinterin Verena Sailer hatte am Sonntagabend ganz andere Probleme. Nur Platz acht in 7,18 Sekunden nach ganz starken Auftritten im Vorlauf und Halbfinale - da war mehr drin für die frühere 100-Meter-Europameisterin aus Mannheim. Zu Campbell-
Brown, die sieben Olympia- und neun WM-Medaillen gewonnen hat, wollte sich Sailer nicht äußern. „Ich habe mich darum nicht gekümmert“, sagte sie nach dem Finale. „Klar weiß ich, dass es im Vorfeld ziemlichen Stress gab. Es ist so, wie es ist. Daran kann ich nichts ändern.“
Shelly-Ann Fraser-Pryce sorgte bei ihrem Hallen-WM-Debüt dafür, dass der 60-Meter-Titel auf der Gute-Laune-Insel Jamaika blieb. Die Welt-Leichtathletin triumphierte in der Jahresweltbestzeit von 6,98 Sekunden und drehte danach mit der schwarz-gelb-grünen Fahne eine Ehrenrunde. „In solchen Wettkämpfen ist kein Platz für Fehler“, sagte die Dreifach-Weltmeisterin von Moskau.
Drei Hundertstelsekunden war Fraser-Pryce schneller als die zweitplatzierte Murielle Ahouré von der Elfenbeinküste. Für einen 60-Meter-Sprint in der Halle eine klare Sache. Kollegin „VCB“ hatte sich mit einer winzigen Tausendstel ins Finale gerettet.