Goldhoffnungen: Stahl und Storl gehen neue EM-Wege
Braunschweig (dpa) - Das EM-Jahr ist für Speerwerferin Linda Stahl und Kugelstoßer David Storl auch eines der Experimente. Beide wagen Neues, um in knapp zwei Monaten bei den Europameisterschaften in Zürich die Chance auf den Titelgewinn zu erhöhen.
Die Leverkusenerin verlängerte ihren Anlauf von elf auf 13 Schritte, damit sie ihre Schnelligkeit besser ausreizen kann. Der Kraftprotz aus Chemnitz speckte ab, um spritziger zu werden. „Die letzten zwei Jahre waren nicht schlecht, doch nun ist es an der Zeit, träge Masse abzubauen“, begründete der zweimalige Weltmeister nach seinem Disziplinsieg bei der Team-EM in Braunschweig, warum er sein Körpergewicht von 128 auf 122 Kilogramm reduziert hat.
„Das Training fällt mir leichter. Man ist nicht mehr so schnell müde und kaputt, alles ist etwas lockerer geworden“, sagte der 1,98 Meter große Hüne. Das ermöglicht ihm einen flüssigeren Bewegungsablauf. „Noch ist es ein kleines Glücksspiel und etwas wackelig, aber die Sicherheit kommt noch“, meinte der 23 Jahre alte Polizeimeister-Anwärter. Bei der Team-EM schaffte er 21,20 Meter und bezwang Olympiasieger Tomasz Majewski (Polen/20,57). Sein Ziel bis zur Titelverteidigung in Zürich sind Weiten um 21,50 Meter - und natürlich der Stoß über 22 Meter.
„Erst mal muss ich konstant um 21,50 Meter stoßen, dann werden die 22 Meter schon noch kommen“, meinte Storl. „Das ist kein Schritt, den man einfach so macht. Den muss man auch vom Kopf erst mal schaffen.“ Mit seinem bisher weitesten Stoß von 21,86 Meter - erzielt im Olympia-Finale 2012 - steht er an 28. Stelle der ewigen Bestenliste. Bei der EM wird Storl schon eine Topweite raushauen müssen, um gegen seinen Dauerrivalen Majewski nicht wie in London das Nachsehen zu haben. „Zu locker darf man nicht in die EM gehen, sonst kannst du schnell runterfallen“, sagte der deutsche Hoffnungsträger.
Dagegen wünscht sich Linda Stahl mehr Leichtigkeit für ihr Sportlerinnen-Dasein. Seit Monaten ist sie im Doppelstress: Neben dem Training hat die 28 Jahre alte Europameisterin von 2010 ihr schriftliches Examen im Medizinstudium absolviert. „Seit Oktober habe ich nur zwei Trainingseinheiten ausfallen lassen. Das war während der drei Tage des Examens“, berichtete sie stolz. „Ein bisschen Nachtarbeit war dabei. Ich habe es konsequent durchgezogen und in jeder freien Minute gelernt.“ So auch auf dem Flug nach New York, wo sie beim Diamond-League-Meeting mit 67,32 Meter eine Weltjahresbestleistung aufstellte.
Bei der Team-EM kam die deutsche Meisterin nicht annähernd an diese Weite heran und wurde mit nur 61,58 Meter Dritte, während ihre tschechische Widersacherin Barbora Spotakova mit 65,57 Meter gewann und ein Zeichen für Zürich setzte. „Ich bin nicht so ganz aus dem Quark gekommen“, entschuldigte sich Stahl und nannte den Grund: „In drei Tagen habe ich mündliches Medizin-Examen. Ich bin überhaupt nicht mehr ausgeschlafen und lerne acht Stunden am Tag.“
Wenn der Prüfungsstress vorbei ist, gilt die volle Konzentration der EM. Doch danach geht es mit der dualen Karriere weiter. Im Oktober fängt sie im Klinikum Leverkusen als Assistenzärztin an. Für Stahl ist das kein Grund, mit dem Sport aufzuhören. Bis zu den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro wird sie weitermachen. „Der Plan steht, und mein zukünftiger Chef unterstützt mich“, sagte sie. „Ich werde die gleichen Aufgaben wie alle haben und auch Nachtdienste machen, aber ich liebe ja Herausforderungen.“