Harting will absahnen: Ein Titel fehlt noch
Brüssel (dpa) - Bei einem Olympiasieger, dreifachen Weltmeister und zweifachen Europameister eigentlich kaum zu glauben, aber ein Titel fehlt Robert Harting in seiner imposanten Sammlung noch: Den Diamant-Pokal für den Gesamtsieg in der Diamond League hat der Diskuswerfer bislang noch nie gewonnen.
Das soll sich in Brüssel ändern. Harting liegt vor dem Finale der lukrativen Serie nur so weit hinter seinem Dauerrivalen Piotr Malachowski zurück, dass er ihm die stattliche Siegprämie von rund 30 000 Euro noch abjagen kann, wenn er selbst im König-Baudouin-Stadion gewinnt und der Pole maximal Dritter wird. „Piotr kann sich warm anziehen“, sagte der Berliner. „Ich habe zwar nur eine kleine Chance, zum ersten Mal in meinem Leben die Diamond League zu gewinnen. Aber diese Chance will ich nutzen.“
Wie so häufig bei Harting wird auch sein Start in Brüssel von einigem Getöse begleitet - was in diesem Fall aber mehr an der Halsstarrigkeit des Veranstalters als am Temperament des deutschen Olympiasiegers liegt. Die Belgier wollten dem 29-Jährigen zunächst kein Startgeld zahlen. Jedem anderen Meeting-Chef hätte Harting daraufhin vermutlich abgesagt, aber das Reglement der Diamond League besagt nunmal, dass er auch bei seinem Disziplin-Finale starten muss, wenn er die Gesamtwertung gewinnen will. Also stritt Harting ein wenig mit seinem Verhandlungspartner Wilfried Meert herum und verriet danach der „Bild“-Zeitung: „Der härteste Meeting-Direktor der Liga und ich sind uns einig geworden. Ich fliege hin - zwar für eine Gage, die sich nur in Fahrtkosten-Nähe bewegt - aber es ist ein Anfang.“
Bei der offiziellen Pressekonferenz zum Meeting schilderte Meert seine Sicht der Dinge. „Dass wir über Startgelder streiten, ist normal. Ich muss schließlich meinen Etat einhalten“, sagte er. „Robert ist ein großartiger Athlet in seiner Disziplin, aber es gibt nun mal so viele Disziplinen. Also müssen wir auch viele Athleten bezahlen - das ist das Problem der Leichtathletik.“
Harting wiederum sieht noch ein ganz anderes Problem: Das große Gefälle unter den verschiedenen Disziplinen, was Aufmerksamkeit und Bezahlung angeht. „Ich habe als Olympiasieger meiner Disziplin auch eine Verantwortung den anderen Athleten gegenüber. Wenn ich ohne Antrittsgeld starte, nehme ich allen anderen Athleten die Chance, mit dem Veranstalter über eine Gage zu verhandeln“, schrieb er in einer Kolumne für das Fachblatt „Leichtathletik“. Jeder Athlet habe einen Marktwert, „der sollte auch nicht untergraben werden. Und ich sehe es eben kritisch, wenn ehemalige Dopingsünder hohe Antrittsgagen bekommen, erfolgreiche saubere Athleten aber zum Nulltarif starten sollen.“
Der letzte Satz ist ein Seitenhieb gegen das 100-Meter-Finale, das in Brüssel auch ohne Usain Bolt als eines der Meeting-Highlights verkauft wird. Dort treten die Amerikaner Justin Gatlin, Tyson Gay, Michael Rodgers sowie der Jamaikaner Asafa Powell gegeneinander an, die zusammengezählt zwar schon sechs WM-Titel gewonnen haben, aber alle auch schon wegen Dopings gesperrt wurden.
Auch die Hochspringer Bogdan Bondarenko (Ukraine), Iwan Uchow (Russland) und Mutaz Essa Barshim (Katar) werden in der belgischen Hauptstadt kaum umsonst antreten, wollen sie doch am Ende ihrer spektakulären Saison erneut den 21 Jahre alten Weltrekord von Javier Sotomayor (2,45 Meter) angreifen. „Ich denke bei jedem Wettkampf an diesen Rekord, auch wenn das keine Obsession ist“, sagte der Welt- und Europameister Bondarenko nach seiner Ankunft in Brüssel.
Für Harting ist das Sportjahr nach dem Wettkampf definitiv vorbei - die Zeit der Anstrengungen aber noch nicht. Bis zum 16. September muss er seine Bachelor-Arbeit in Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation abgeben. „Ich war manchmal nachts bis 01.30 Uhr wach, um das alles zu packen. Aber ich bin noch immer nicht fertig“, verriet er. Wenn er alles hinter sich hat, will Harting zum ersten Mal seit vier Jahren Urlaub machen. 30 000 Euro Diamond-League-Prämie kämen ihm da gerade recht.