Harting will am Zuckerhut noch mal „mitstänkern“
Kassel (dpa) - Bei der Oma holt er sich bald noch die geliebten Toffifees ab, dann stürzt sich Robert Harting ins Training für Olympia.
Nach dem Meisterstück von Kassel sah man dem Diskus-Riesen die Freude und Erleichterung an - eine Riesenlast fiel von seinen breiten Schultern. Alle Selbstzweifel waren wie weggefegt. Der neunte Titel, das Ticket für Rio - sein Plan A ging auf. „Ich freue mich, dass ich da noch einmal mitstänkern kann mit den Jungs und eine kleine sportliche Party feiern kann“, sagte der Berliner nach der Punktlandung der Zwei-Kilo-Scheibe im Auestadion.
68,04 Meter waren ein Pfund - mit dem allerletzten Wurf buchte der Olympiasieger als erster deutscher Diskuswerfer die Dienstreise zum Zuckerhut. Zum Glück ist das nun abgehakt, denn einen Plan B hatte Harting nicht. Dafür große Ungewissheit und sogar Versagensängste. Die sind nun weg, und der Sieg gegen hochmotivierte Konkurrenten „hilft mir für das Selbstbewusstsein extrem viel“, versicherte Harting nach dem spannendsten Wettkampf der Titelkämpfe.
„Alle Adern, die verkalkt waren, sind jetzt wieder durchblutet“, sagte er. „Ich freue mich, dass ich mich mit voller Wucht wieder ins Training stürzen kann.“ Wegen seiner Verletzungen muss er drei, vier Wochen aufholen, außerdem schmerzt das Knie immer noch.
Nach dem Kreuzbandriss im September 2014 und dem Jahr der Leiden 2015 hat Harting auf seiner Comeback-Tour nur vier Wettkämpfe gebraucht, um richtig einen rauszuhauen: Ich bin wieder da, schreibt mich nicht ab! Plan A sah aber vor allem vor, dass er sich den Umweg über die Europameisterschaften in Amsterdam (6. bis 10. Juli) erspart. Denn die deutschen Meister mit erfüllter Norm sind für Olympia gesetzt. Und das Rio-Abenteuer reizt den Europameister von 2012 und 2014 mehr als der mögliche EM-Hattrick.
Der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) will seiner Medaillen- Bank der vergangenen zehn Jahre da entgegen kommen. „Wir werden diese individuelle Entscheidung auf dem Weg nach Rio tragen und unterstützen“, sagte DLV-Cheftrainer Idriss Gonschinska nach den Titelkämpfen. Heißt: Robert Harting kann zu Hause bleiben und seinen Trainingsrückstand aufholen. Die Fans werden in Amsterdam aber seinen jüngeren Bruder Christoph sehen, der mit 66,41 Meter Zweiter wurde.
So richtig Party machen kann Serienmeister Harting erst im Herbst, wenn seine turbulente Comeback-Saison vorbei ist. „Ich habe noch zwei kleinere Wettkämpfe“, sagte der dreimalige Weltmeister. „Ich fahre noch mal zu meiner Oma zum Schluss und hol' mir noch ein paar Toffifees ab. Dann beginnt wieder das Training.“
Schon am Dienstag (21. Juni) steigt der Sportsoldat bei der „Folksam Challenge“ im schwedischen Umeå wieder in den Ring, am Freitag (24. Juni) will er der Konkurrenz in Zeulenroda/Thüringen Saures geben. Dort gibt's aber auch wieder Süßes von der Oma.
Seinem „kleinen Bruder“, der sechs Jahre jünger ist und Robert noch um sechs Zentimeter überragt, hat er in Kassel gratuliert. „Ich freue mich, dass Christoph auch so weit geworfen hat.“ Und sonst? Harting grinst wie ein Lausbub'. „Wir lieben unsere Eltern über alles - deshalb sprechen wir Brüder nicht übereinander.“ Schweiger Christoph redet überhaupt nicht. Nach jedem Wettkampf kommt von Harting II. das gleiche Statement: „Ich gebe in diesem Jahr keine Interviews.“