Heidler und Klaas: Protest und Demonstration
Kassel (dpa) - Bei der Pressekonferenz schob Hammerwerferin Kathrin Klaas ihr T-Shirt hoch, um ihre Botschaft nochmals für alle lesbar zu zeigen: „Nicht gut genug für die Diamond League“, stand mit Filzmarker auf ihrem Bauch geschrieben.
Weltrekordlerin Betty Heidler und Klaas, die Nummer drei der internationalen Bestenliste, nicht gut genug für die Top-Serie der Leichtathletik? Die beiden Hammerwerferinnen protestieren gegen die Politik des Weltverbandes IAAF, zeigten eine Demonstration der Stärke bei den deutschen Meisterschaften in Kassel - und genossen die ungewohnte Aufmerksamkeit des Publikums.
„Die Darstellung des Wettkampfs war topp, wir standen immer im Fokus. Super Stimmung!“, lobte Heidler. Die Frankfurterin dankte es den 15 000 Zuschauern im Auestadion mit einem tollen Wurf: Auf 76,04 Meter schleuderte sie den Hammer hinaus, ausgerechnet in den Minuten, als der Regen einsetzte - ihr siebter Titel in Serie. Bei 79,42 Meter liegt ihr Weltrekord von Halle/Saale vom 21. Mai. Clubkollegin Klaas, die mit ihrer Saisonbestweite von 75,48 ebenfalls eine Medaillenkandidatin für die Weltmeisterschaft in Daegu/Südkorea (27. August bis 4. September) ist, wurde Zweite mit 72,39 - bauchfrei und mit Botschaft auf der Haut.
Heidler gilt zurzeit als das Gesicht der deutschen Leichtathletik, und die 27-Jährige verhehlte ihren Stolz darauf nicht: „Das hat ganz lange gedauert, bis das eine Hammerwerferin geschafft hat“, sagte sie, überlegte kurz und meinte lächelnd: „Ich glaube, das hat überhaupt noch keine Hammerwerferin geschafft.“ Die Europameisterin freute sich darüber, dass sie auf Plakaten für die Titelkämpfe groß abgebildet war.
Denn in der internationalen Leichtathletik führen die Hammerwerferinnen immer noch ein Aschenputtel-Dasein. „Das Stoßen in den Stadien mit vielen Zuschauern, das fehlt uns. Wir haben jetzt auch keinen Wettkampf mehr vor der WM, international sieht das ganz dünn aus“, klagte Heidler. Bei Meetings wird ihre Disziplin oft auf Nebenplätze abgeschoben - oder erst gar nicht ins Programm aufgenommen. So sind die wurfgewaltigen Frauen bei der Diamond League nicht dabei, bei der Team-Europameisterschaft kürzlich in Stockholm wurde der Frauen-Hammerwurf als einzige Disziplin vor der offiziellen Eröffnung ausgetragen.
„Die Argumente sind meiner Meinung nach fadenscheinig: 'Zu gefährlich' oder 'Die Netze nehmen den Zuschauern die Sicht'“, meinte Klaas und erklärte: „Der letzte große Unfall war ein Speerwurf-Unfall und der Diskuswurf wird auch mit Netz durchgeführt.“ Der Weltverband IAAF hat für den Hammerwurf eine eigene Challenge geschaffen - mit einem abenteuerlichen Terminkalender: Entweder kleben die Sportfeste direkt aufeinander - oder es findet wochenlang gar nichts statt. „Wir sind dabei, einen Brief an die IAAF zu verfassen“, kündigte Klaas an. Kolleginnen aus USA, Russland und Kanada hätten sich bereits solidarisch gezeigt.
Heidler, Klaas und Co. stinkt es auch, dass der Diamond-League-Sieger 40 000 US-Dollar (etwa 27 860 Euro) erhält und der Gewinner der Hammer-Challenge nur 30 000. Finanziell, meinte Heidler, seien sie bei Preis- und Antrittsgeldern ohnehin sehr benachteiligt: „Das ist echt ein Witz im Vergleich zu den anderen. Wir kriegen das, was so übrig bleibt, das aus der Portokasse. Wir sind immer in der untersten Kategorie. Die Männer beim Hammerwurf allerdings auch.“