Heidlers Debakel: „Ich komm' nicht mehr nach Helsinki“

Helsinki (dpa) - Betty Heidler war fassungslos. Der Ring, das Wetter, die Psyche, die Vorbereitung: „Alles chic - bis auf das Ergebnis“, sagte sie kopfschüttelnd. Ausgerechnet die Weltrekordlerin und Titelverteidigerin hatte bei der EM in Helsinki den Dreh nicht raus in der Hammerwurf-Qualifikation.

Das Aus nach zwei ungültigen Versuchen und mageren 65,06 Metern im dritten erwischte die Frankfurterin auf dem linken Fuß und weckte längst verdrängte Erinnerungen: Auch bei der WM 2005 an gleicher Stelle war sie vorzeitig rausgeflogen. „Ich glaube, ich komm' nicht mehr nach Helsinki.“

Es gab kaum eine sicherere Medaillenkandidatin unter den deutschen Leichtathleten. Michael Deyhle konnte es auf der Tribüne nicht fassen. „Das war technisch eine Katastrophe, ich weiß auch nicht, warum. Dass sie sich so eine Ohrfeige abholt vor Olympia, ist natürlich deprimierend“, schimpfte ihr Trainer nach dem indiskutablen 17. Platz seines Schützlings. Dafür kam Heidlers Clubkollegin Kathrin Klaas mit 68,95 Metern weiter und darf auf eine Medaille hoffen.

Den Verlust des EM-Titels kann Heidler verschmerzen. Aber Helsinki sollte die Generalprobe sein für die Sommerspiele. „Jetzt weiß ich, was ich nicht machen soll in London“, meinte die 28-Jährige mit einem gequälten Lächeln und klagte: „Ich habe überhaupt nicht reingefunden. Technisch war's nicht schön.“ Die ersten beiden Würfe habe sie falsch angesteuert, „da falle ich aus dem Ring raus“. Und im letzten Durchgang sei sie zu vorsichtig gewesen und habe nur drei Drehungen gemacht. Dabei sei das Training sehr gut gelaufen. „Deshalb überrascht mich das heute.“

In Helsinki wollte Heidler ihre Wurfgewalt und Standfestigkeit testen - und das Selbstvertrauen stärken. Einen EM-Titel hat sie schon, WM-Gold auch, den Weltrekord sowieso. Aber auf dem Weg zum ersehnten Olympiasieg waren ihre in der Welt immer noch unerreichten 79,42 Meter vom Mai 2011 auf einmal weit, weit weg.

Dabei führt der EM-Sieg nur über Heidler - dachten alle. Seit zwölf Wettkämpfen war sie ungeschlagen. Und die Weißrussin Aksana Menkowa, die mit 78,19 Metern die internationale Bestenliste anführt, fehlte in Helsinki.

Doch Heidler war schon vor ihrem desolaten Auftritt vorsichtig: Auch bei der WM vergangenes Jahr im südkoreanischen Daegu reiste sie als Topfavoritin an - und musste der Russin Tatajana Lysenko Gold überlassen. „Ich weiß, was ich kann und will“, sagte sie kürzlich nach dem Gewinn ihres zehnten deutschen Meistertitels. „Ich bin aber nicht die perfekte Athletin.“

So schnell wollte sie diesen Beweis aber nicht antreten. Und in London? „Ich sehe mich als Medaillenanwärterin, nicht als Favoritin. Ich wäre wesentlich deprimierter und trauriger, wenn das schon der Saisonhöhepunkt gewesen wäre.“