Nachfolger gesucht Kessing soll den Leichtathletik-Verband führen - aber wie?

Bietigheim-Bissingen (dpa) - Jürgen Kessing wird sich beim Deutschen Leichtathletik-Verband definitiv für die Nachfolge von Präsident Clemens Prokop bewerben. Der finanzielle Anreiz für den Posten hält aber sich in Grenzen: 100 Euro monatlich, für Nebenkosten wie Porto.

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Damit ist natürlich kein ehemaliger Sportstar, der beruflich vielleicht gerade Fuß fasst, in dieses Amt zu locken. Obwohl der Chef des DLV 850 000 Mitgliedern aus 7700 Vereinen in einer olympischen Kernsportart vorsteht.

Der DLV sucht einen Nachfolger für seinen prominenten Präsidenten Clemens Prokop - und hat im Grunde auch schon einen. Aber: Beim bisher einzigen Kandidaten Kessing, Oberbürgermeister von Bietigheim-Bissingen, offenbart sich weit vor der Wahl ein Dilemma des deutschen Spitzensports.

Prokop, hauptberuflich Direktor des Amtsgerichts Regensburg, hört Ende November als DLV-Chef auf. Er habe wenigstens den Vorteil gehabt, dass er sich seine Zeit weitgehend selbst einteilen konnte. Der 60-jährige Familienvater sagt - auf Nachfrage - aber auch: „Es ist ein sehr zeitintensives Amt. Ich verbrauche alle Urlaubstage für DLV-Termine.“

Prokop gilt inzwischen als einer der profiliertesten deutschen Sportfunktionäre. Der Jurist hat sich vor allem als Anti-Doping-Experte einen Namen gemacht, nach dem Verbandstag in Darmstadt wird er nur noch für die Organisation der EM in Berlin 2018 weiterarbeiten. Prokop sieht sich als DLV-Präsident „juristisch und sportpolitisch haftbar“, er ist zudem der erste Repräsentant.

Es ist ein Abnutzungskampf. In der Praxis sieht das so aus, dass er Lobbyarbeit betreiben und Termine wahrnehmen muss bei den internationalen Verbänden EAA und IAAF, auf dem Politparkett in Berlin und beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). Auf sportlicher Ebene und bei Sponsoren sowieso. Außerdem trägt er die Verantwortung für etwa 100 Hauptamtliche auf Trainerebene und der DLV-Geschäftsstelle in Darmstadt.

Kessing traut sich das durchaus auch zu. „Das ist alles eine Frage der Organisation, denke ich“, sagt er. „Ich habe mein ganzes Leben lang immer viele Dinge parallel gemacht und musste das organisieren. Und ich traue mir zu, auch dies zu organisieren.“ Bei den deutschen Meisterschaften im Juli in Erfurt will er sich dem Verbandsrat vorstellen. „Ich bin gefragt worden, und ich stehe als Kandidat zur Verfügung“, versichert der 59-jährige SPD-Kommunalpolitiker, einst Zehnkämpfer und Stabhochspringer.

In seiner 43 000-Einwohner-Stadt nahe Stuttgart äußerten die anderen Parteien bereits erste Bedenken. Tenor: Wie will der OB das nebenbei überhaupt schaffen? „Ich kann nachvollziehen, dass es kritische Stimmen gibt. Aber sonst schreit ja alle Welt immer, man soll ein Ehrenamt übernehmen“, sagt Jürgen Scholz. Der württembergische Verbandschef hatte Kessing („Der klassische Seiteneinsteiger“) vorschlagen. Eine dreiköpfige Findungskommission unter seinem Kollegen Peter Wastl (Nordrhein) zurrte die Personalie dann fest. „Der DLV hat eine gut funktionierende Geschäftsstelle. Man muss auch delegieren können“, sagt Wastl.

Ob der DLV mittelfristig nicht einen hauptamtlichen, also geschäftsführenden Präsidenten braucht? „Das ist ein Modell, über das man nachdenken muss“, sagt Wastl. Für Kessing, als OB bis 2020 gewählt, ist das immer eine Frage der Finanzierung. „Das ging bisher die ganze Zeit ehrenamtlich, deshalb gibt es keinen Grund, daran etwas zu ändern.“

Theoretisch könnte der neue DLV-Boss noch eine andere, zeitaufwendige Baustelle bearbeiten: Der Verband ist seit dem Ausscheiden von Helmut Digel nicht mehr im Council des Weltverbandes vertreten. Auch so ein Dilemma. Ob Prokop, der vom neuen britischen IAAF-Präsidenten Sebastian Coe geschätzt wird, nach seinem Ausscheiden beim DLV international weiter tätig wird, ist nach seinen Angaben „bisher kein Thema.“