Kugelstoß-Topfavorit Schwanitz erste WM-Hoffnung
Peking (dpa) - Der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) will nichts von einer Wiedergutmachung für das Olympia-Desaster von 2008 in Peking wissen.
„Man kann es auch anders sehen. Peking war der Start für eine sportliche Entwicklung zur Wiederauferstehung der deutschen Leichtathletik“, sagte DLV-Präsident Clemens Prokop vor dem Start der 15. Weltmeisterschaften in Chinas Hauptstadt. Seitdem haben wir unsere Leistungsbilanz kontinuierlich verbessert.“
Vor zwei Jahren bei der WM in Moskau holten die DLV-Asse sieben Medaillen (4 Gold/2 Silber/1 Bronze). Drei der vier Weltmeister gehen im spektakulären „Vogelnest“-Stadion als Titelverteidiger an den Start: Raphael Holzdeppe (Stabhochsprung), David Storl (Kugelstoßen) und Christina Obergföll (Speerwurf) - Diskusstar Robert Harting musste passen, weil er nach einer Knie-OP nicht fit genug ist.
Die 66 DLV-Spitzenathleten haben statistisch gesehen wieder exzellente Medaillen-Aussichten. Zwölf deutsche Asse eroberten vor der WM in der Weltbestenliste einen Platz unter den ersten Sechs, weitere 18 Athleten befinden sich unter den besten Acht.
„Dies verdeutlicht, dass die deutsche Leichtathletik sich in mehr als ein Drittel der leichtathletischen Disziplinen auf absolutem Weltniveau befindet“, erklärte DLV-Sportdirektor Thomas Kurschilgen, der Medaillenprognosen verweigert. „Der eindimensionale Blick auf die Medaillen entwertet die Leistung des Einzelnen. „Wir werden daher den Medaillenspiegel nicht wie eine Monstranz vor uns hertragen.“
Schließlich ist die WM-Konkurrenz mit 1936 Athleten aus 207 Ländern zumindest quantitativ auf einem Rekordniveau. „Wir sind in einer hohen Wettbewerbsspirale“, sagte Cheftrainer Idriss Gonschinska. „Die Konkurrenzsituation würde ich härter einschätzen als bei den Olympischen Spielen 2012 in London.“ Außerdem sind bei der WM 2013 Medaillen und Finalplätze auf mehr als 70 Nationen verteilt gewesen.
Gleich am ersten WM-Tag könnte die größte Gold-Hoffnung Christina Schwanitz dem deutschen Team einen perfekten Start bereiten. Die Chemnitzerin ist als Vizeweltmeisterin und Weltjahresbeste (20,77 Meter) die Kugelstoß-Topfavoritin am Samstag. „Der Druck steigt für mich, aber das bringt der Erfolg mit sich“, sagte Schwanitz. Schwerer wird es am Sonntag für Titelverteidiger David Storl. Der Amerikaner Joe Kovacs geht mit der Jahres-Topweite von 22,56 Meter in den Ring.
Sehr starke Rivalen haben auch andere DLV-Asse wie Raphael Holzdeppe mit dem französischen Stabhochsprung-Überflieger Renaud Lavillenie im Kampf um Gold vor der Nase. „Ich weiß, ich kann den Titel theoretisch verteidigen, aber ich weiß auch: Selbst wenn ich noch mal im Finale 5,94 Meter springe, wird es schwer“, sagte Holzdeppe.
Nach einer Babypause wird die Wiederholung des Erfolges von Moskau auch für Christina Obergfölll schwer. „Es wird die Chance geben, mit einer nicht ganz überragenden Weite Gold zu holen“, hofft sie. Mit „66 Meter plus minus“ könne man Speerwurf-Gold gewinnen - Obergfölls weitester Wurf in diesem Jahr: 64,11 Meter.
Einschüchtern lassen will sich Hammerwerferin Betty Heidler, Weltmeisterin von 2007, nicht. Sie muss gegen die Polin Anita Wlodarczyk antreten, die vor kurzem mit 81,08 Meter Weltrekord warf. Heidler: „Wenn sie einen schlechten Tag hat und ich einen richtig guten, kann ich sie schlagen.“
Weitere Medaillenanwärter des DLV sind im Zehn- und Siebenkampf Michael Schrader und Kai Kaczmirek sowie Carolin Schäfer, im Speerwurf auch noch Linda Stahl und Katharina Molitor sowie Thomas Röhler und im Diskuswurf Julia Fischer und Nadine Müller.
Wird Jamaikas Supersprinter Usain Bolt wieder der große WM-Star? Im ganzen Jahr stand er im Schatten von Justin Gatlin. Der 33-jährige Amerikaner flitzte über 100 Meter schon 9,74 und über 200 Meter 19,57 Sekunden. Bolt konnte nur bei seinem letzten Start in London über 100 Meter mit 9,87 Sekunden ein Zeichen setzen. Zwei Tage vor WM-Beginn gab er sich selbstsicher. „Ich bin in starker Form“, tönte er.
Wenn am Sonntag Bolt und Co. für das erste große Spektakel sorgen werden, wird auch das Doping-Thema mitlaufen. Man weiß, dass Gatlin, Ex-Weltmeister Tyson Gay (USA) und der einstige Weltrekordler Asafa Powell (Jamaika) alle wegen Dopings vorbestraft sind.
Dagegen sorgen die Enthüllungen über mögliches systematisches Doping in Russland, umfänglichen EPO-Missbrauch in Kenia oder eine IAAF-Bluttestliste mit angeblich dopingverdächtigen Werten von Hunderten von Leichtathleten aus den Jahren 2001 bis 2012 für Spekulationen Verdächtigungen wie nie zuvor.