170 km pro Woche Lauf-Ass Krause: Über Kenia, Äthiopien und Südafrika zur WM
Frankfurt/Main (dpa) - Für Hindernis-Spezialistin Gesa Felicitas Krause ist die Leichtathletik-WM in London der klar definierte Saison-Höhepunkt. Bis zu 170 Kilometer wöchentlich rennt die Europameisterin dafür in der Vorbereitung - in der Heimat und in diversen Trainingslagern rund um den Globus.
Dieser Tag taugt nicht für Hochglanzbilder in der Werbung und für Weicheier ist er erst recht nichts. Der Wind pfeift in Frankfurt-Niederrad durch die heruntergekommene Bezirkssportanlage Hahnstraße, eine einzige Baustelle. Zäune überall, ein lärmender Traktor, der den Rasen zwischen den Maulwurfhügeln vertikutiert und der zierlichen Läuferin auf der Bahn bedenklich nahe kommt. Hier trainiert die „Leichtathletin des Jahres“, Deutschlands einzige Weltklasse-Läuferin. „So isses halt“, sagt Gesa Krause achselzuckend, streift sich die Handschuhe über und rennt los.
Ihr Trainer Wolfgang Heinig stellt den Kragen hoch. An diesem Tag steht nur eine Regenerationseinheit an. „Fünf Runden!“, ruft er. Dabei 100 Meter im Wettkampftempo, 100 Meter traben. Krause ist Europameisterin über 3000 Meter Hindernis, hatte 2015 in Peking als Dritte die erste Einzel-Medaille eines deutschen Läufers bei einer WM seit 2001 geholt. Bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro rannte sie zwar in 9:18,41 Minuten deutschen Rekord, wurde aber zu ihrer eigenen Enttäuschung nur Sechste.
Es sei „ganz, ganz schwer“ zu definieren, warum sie läuft und läuft und läuft. „Ich hatte schon immer diesen gewissen Drang, erfolgreich zu sein“, sagt sie, „jeden Tag weiterzumachen“.
Im Januar waren Heinig und Krause im Trainingslager in Kenia. Die Frankfurterin, die inzwischen für den Verein Silvesterlauf Trier startet, rannte bis zu 170 Kilometer die Woche. An diesem Montag geht es erstmals für drei Wochen nach Äthiopien auf etwa 2700 Meter Höhe, in ein Camp von Lauf-Legende Haile Gebrselassie.
„In diesem Jahr machen wir viel Neues. Ich war schon elfmal in Kenia. Da ist es für den Kopf ganz gut, wenn man mal an einen neuen Ort fährt“, sagt Krause. Ein paar neue Wege wenigstens, für Ausflüge ist eh keine Kraft und Zeit. Das Höchste der Gefühle: Zufriedenheit nach einer gelungenen Einheit, Plauderstunden beim Essen und kontakten mit Lebensgefährte Marc, Freunden und den Eltern.
Im April steht ein weiteres Trainingslager in Südafrika an, das erste Rennen ist für 5. Mai in Doha geplant. Bei der WM im August in London will Krause wieder eine Medaille. Ihre Konkurrentinnen sieht sie in Reichweite - bis auf Olympiasiegerin Ruth Chebet. Die von Bahrain eingekaufte Kenianerin rannte in Rio wahnwitzige 8:59:75 Minuten. „Ich würde mir wünschen, dass für alle Athletinnen gleiche Bedingungen geschaffen würden“, sagt Heinig.
Er sitzt mit Krause inzwischen im Betreuerraum des Werferhauses auf der Sportanlage, die Spanplatten an den Wänden sind noch unverputzt. Das Thema Doping treibt die beiden immer wieder um. Krause habe letztes Jahr zehn bis fünfzehn Trainingskontrollen gehabt, „wenn nicht mehr“. Bei der EM 2012 in Helsinki rückte sie nachträglich auf Rang drei vor, weil eine Ukrainerin gedopt war.
Die 50 Kilogramm leichte Krause, die in den Stadien elegant wie kaum andere über die Hindernisse gleitet, sieht sich in der Lage, „noch einige Sekunden schneller zu laufen“. Heinig kann sich seit diesem Jahr ganz auf seinen Schützling konzentrieren. Der Deutsche Leichtathletik-Verband hat den 65-Jährigen als Bundestrainer in Rente geschickt. Der frühere DDR-Coach war bei den Läufern umstritten: 2014 forderten Spitzenathleten in einem Brief seine Absetzung, er würde die Läufer seiner Frankfurter Trainingsgruppe bevorzugen, mit den anderen zu wenig kommunizieren.
Krause hingegen schwört auf Heinig, der sie seit 2009 betreut. „Ich habe absolutes Vertrauen in seine Erfahrung.“ Bei den Laufeinheiten ist manchmal noch Heinigs Tochter dabei, die Marathonläuferin Katharina Heinig. Sie wird aber von Heinigs Ehefrau Katrin Dörre-Heinig, der Olympia-Dritten über den 42,195-Kilometer-Klassiker von 1988, trainiert.
Als nächstes will Krause „die magische 9:10“ brechen. „In der Breite können wir die Afrikanerinnen niemals schlagen“, sagt sie und packt ihre Tasche. Aber in der Spitze - da ist sie mit ihrer Hartnäckigkeit, Disziplin, Ausdauer und Klarheit dabei wie keine andere deutsche Läuferin.