Mikitenko gibt Olympia-Traum nicht auf
London (dpa) - Zwei Stunden nach dem London-Marathon saß Irina Mikitenko mit müden Augen im Veranstalter-Hotel an der Tower Bridge. „Ich bin froh, dass es vorbei ist. Es ist nicht so gelaufen, wie ich es mir vorgestellt habe“, sagte die deutsche Rekordhalterin aus Gelnhausen.
Nur wenige Meter weiter saßen einige Spitzenathletinnen aus Kenia und stärkten sich mit Pizza und Frühlingsrollen. Für Mikitenko war die Olympia-Generalprobe ein hartes Brot: Die Asse aus Afrika dominieren vor den Sommerspielen die klassische 42,195- Kilometer-Strecke derart, dass der Rest der Leichtathletik-Welt nur staunen kann.
Immerhin kam Mikitenko als beste Europäerin beim Sieg von Mary Keitany in 2:18:37 Stunden vor vier weiteren Kenianerinnen ins Ziel. Bei den Männern, wo Keitanys Landsmann Wilson Kipsang (Kenia) in 2:04:44 Stunden gewann, landeten bis Platz sieben nur Läufer aus seiner Heimat, aus Äthiopien oder Marokko. „Okay, es war eine gute Generalprobe für die Olympischen Spiele, und ich bin froh, dass ich einigermaßen mit einer Zeit durchgekommen bin als erste Europäerin. Aber zufrieden bin ich auf keinen Fall“, sagte Mikitenko.
Die 39-Jährige hatte 2008 und 2009 den Klassiker an der Themse gewonnen, doch mit 2:24:53 lag sie diesmal deutlich über ihrem Rekord von 2:19:19 aus dem Jahr 2008. Ob die Kenianerinnen nun auf und davon sind? Mikitenko schüttelt den Kopf: „Sie sind auch nur Menschen. Und man hat heute gesehen, dass ich die eine oder andere auch bei Kilometer 35 ein- oder überholen kann. Wenn alles gepasst hätte, hätte ich noch eine oder zwei mehr überholen können. Aber es muss alles stimmen. Und heute ist einiges schiefgelaufen.“
Die gebürtige Kasachin ist selbstkritisch und erfahren genug, um nicht lange für eine Analyse zu brauchen. „Ich weiß, wo mein Fehler in der Vorbereitung in der letzten Woche lag“, erklärte sie. „Ich mache immer so eine Diät in der Vorbereitung, und ich habe sehr viel Gewicht verloren. Und so hat die Kraft in den Beinen nicht gereicht.“
Ihr Trainer und Ehemann Alexander konnte ihr nur bedingt helfen. Er hatte mit U-Bahn-Hopping versucht, möglichst oft an der Strecke zu sein. Fünfmal schaffte er es. „Das ist schon ein gutes Ergebnis“, sagte Mikitenko. Vanessa (6) und Alexander junior (18) fieberten zu Hause am Fernseher mit. Während ihres Alleingangs habe sie die Kinder immer im Kopf gehabt, wie sie zu ihr sagen: „Komm, mach weiter. Nicht aufgeben!“
Den Traum von der ersten Olympia-Medaille in ihrem geliebten London hat Mikitenko trotzdem nicht aufgegeben. Wegen einer Beckenverletzung hatte sie kurz vor den Spielen 2008 in Peking passen müssen. „Wenn ich jetzt sage, dass die Medaille nicht möglich ist, dann lohnt es sich nicht. Einfach nur die Teilnahme interessiert mich nicht“, sagte die kleine, aber zähe Ausdauersportlerin. Die Konkurrenz sei in letzter Zeit sehr stark geworden. „Aber das bedeutet nicht, dass es unmöglich ist“, meinte Mikitenko. „Ich kann immer noch mit jüngeren Leuten mithalten, dass macht mir unglaublich Spaß.“