Storl: „So gut bin ich noch nie durchgekommen“

Chemnitz (dpa) - Das Werferhaus im Chemnitzer Sportforum hat nicht gerade den Glanz einer weltmeisterlichen Trainingsstätte. Der Putz bröckelt von der Wand, die Farbe von den Fensterrahmen. Die Matten könnten noch aus altem DDR-Bestand stammen.

Auf der Kugelstoßanlage blüht der Löwenzahn. Trainer Sven Lang sitzt auf einer vormals weißen Bank. „Hier müsste man mal was machen“, murmelt David Storl und grinst: „Andere haben's luxuriöser, aber da stimmt die Leistung nicht.“ Was man von dem 22-Jährigen wahrlich nicht behaupten kann. Der Welt- und Europameister und Olympia-Zweite startet am Samstag beim Werfer-Meeting in Halle/Saale in die Leichtathletik-Saison mit dem WM-Highlight im August in Moskau.

Storl schleppt mit seinem Trainingspartner Hendrik Müller eine Kiste mit Kugeln, die Stöße simuliert er an diesem Tag nur. Der rechte Zeigefinger ist „ein bisschen überlastet, aber nix Schlimmes“. Lang hält seinen Schützling an einem Band, das am Gürtel des Athleten befestigt ist. Sonst würde der 125-Kilo-Mann aus dem Ring fliegen bei seinen Versuchen. Nach zwei zweiwöchigen Trainingslagern in Portugal und Südtirol mit insgesamt 1500 Stößen strotzt Storl vor Energie. „Das hat man ganz selten, dass man die Planung zu 100 Prozent durchziehen kann“, erklärt sein Coach zufrieden.

Die Hallensaison hatte Storl ausgelassen: Probleme mit der Patellasehne, den Bandscheiben, dazu eine Haut-Operation. „Seitdem bin ich eigentlich verletzungsfrei“, sagt er. Die Pause nach den beiden turbulenten Jahren habe ihm gut getan. „Er war mental ein bisschen leer“, sagt Lang.

Wenn es nach dem Heim- und Bundestrainer geht, sind dieses Jahr für Storl die 22 Meter fällig. Bei 21,88 steht seine Bestleistung in der Halle, bei 21,86 im Freien. Auch Storl ist optimistisch: „Meine richtige Form wird erst zur WM hin kommen. Aber so gut wie dieses Jahr bin ich noch nie durchgekommen in der Vorbereitung.“ Die Dreierserie im Bankdrücken schafft er mit 190, 200 Kilo. Storl lebt von seiner Dynamik, er ist ein „Schnelligkeitsstoßer“. Die 30 Meter rennt er in 3,73 Sekunden. „Da würden sich die Bobfahrer freuen“, sagt Lang lächelnd.

Doch Storl soll der Leichtathletik noch ganz lange erhalten bleiben. „2016 in Rio de Janeiro wäre er 26 - ein Alter, wo das Kugelstoßen eigentlich erst losgeht“, meint Lang. Sein Vorzeigeathlet könnte in der nächsten Dekade ein Erfolgsgarant des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) werden.

Storl, der als nervenstarker Wettkampftyp gilt, macht sich deshalb keinen Kopf. „Die Werfer müssen sowieso immer die Medaillen holen. Ich habe eigentlich kein Problem mit Erwartungsdruck. Ich habe ja an mich selbst die Erwartung, dass ich dieses Jahr wieder eine Medaille gewinne und bei der WM in Moskau im besten Fall meinen Titel verteidige.“ Vor internationalen Wettkämpfen sucht er schon mal das Gespräch mit einem DLV-Psychologen. „Aber es ist nicht so, dass ich da jede Woche hingehe.“

Sechs Tage die Woche schuftet Storl in zwei Übungseinheiten, manchmal sogar zehn Tage hintereinander. Zwischen zwölf und 15 Wochen im Jahr ist der frühere Mehrkämpfer in Trainingslagern. Im vergangenen Herbst nahm er sich eine Auszeit und trieb seine Ausbildung als Polizeimeister-Anwärter bei der Bundespolizei voran.

An seinen freien Tagen fährt Storl gerne nach Mannheim zu seiner Freundin Carolin Leonhardt, die Kajak-Olympiasiegerin von 2004. In London hatte sie wie Storl Silber gewonnen. „Im Sommer ist es relativ schwer, da muss man schon seine Zeitpläne aufeinander abstimmen, damit es am Wochenende klappt“, erzählt Storl über die Fernbeziehung. „Es läuft eigentlich gut. Zwei, dreimal im Monat sehen wir uns.“