Türkei: EM-Erfolge mit eingebürgerten Athleten

Amsterdam (dpa) - Die Türkei hat mit ihren vielen eingebürgerten Leichtathleten bei den Europameisterschaften in Amsterdam für Empörung gesorgt. „Wir wollen nicht, das Nationalitätenwechsel zum Wirtschaftsgut wird“, sagte Clemens Prokop, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV).

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Er kündigte an, beim außerordentlichen Kongress des Weltverbandes IAAF am 3. Dezember in Monte Carlo einen Antrag auf Änderung der Wechsel-Regel zu stellen.

Bei der EM sind für die Türkei unter anderem sieben Kenianer, zwei Jamaikaner und ein Kubaner am Start - und das sehr erfolgreich. Die Türkei führte nach 31 von 44 Wettbewerben den Medaillenspiegel mit zehn Edelplaketten an; nur eine holte ein gebürtiger Türke. Auch dem Europäischen Verband EAA ist dieses „Söldnertum“ ein Dorn im Auge, kommentieren will die EAA das Ärgernis jedoch erst nach EM-Ende.

Die unter türkischer Fahne vereinten internationalen Athleten waren vor allem im Lauf stark. So gewann Yasmani Copello Escobar (früher Kuba) über 400-Meter-Hürden ebenso Gold wie die beiden einstigen Kenianer Ariban Polat Kemboi (10 000 Meter) und Yasemin Can (5000 und 10 000). Über 100 Meter wurde Jak Ali Harvey, der früher unter dem Namen Jacques Montgomery Harvey für Jamaika antrat, EM-Zweiter. Und über 200 Meter rannte der gebürtige Aserbaidschaner Ramil Gulijew auf Medaillenplatz zwei, was auch drei weiteren gebürtigen Kenianern in den Laufdisziplinen gelang.

Nicht nur der DLV mutmaßt, dass diese Athleten nicht aus persönlichen, sondern aus wirtschaftlichen Gründen Bürger der Türkei geworden sind. „Die meisten von ihnen sollen sogar weiter in ihren Ländern trainieren und leben“, sagte Prokop.

Um den Nationalitätenwechsel aus kommerziellen Gründen zu unterbinden, strebt der DLV die Änderung der entsprechenden IAAF-Regel an. Bisher kann ein Athlet nach einem Jahr wechseln, wenn sich beide nationalen Verbände einig sind. Stellt sich ein Verband quer, muss ein Sportler drei Jahre auf die Starterlaubnis für das neue Land warten.

„Wir habend den Antrag noch nicht im Detail formuliert. Möglich wäre aber eine genauere Einzelfallprüfung oder die Wechselsperre trotz Einigung der Verbände auf zwei Jahre zu erhöhen“, erklärte Prokop.

Das Problem ist im Weltsport nicht neu. Auch Bahrain oder Katar locken Athleten mit lukrativen finanziellen Offerten an, um sich bei großen Titelkämpfen mit Medaillen und Erfolgen zu schmücken. So hatte Katar vor der Handball-WM 2015 im eigenen Land zahlreiche Weltklassespieler eingebürgert und verlor erst im Endspiel gegen Frankreich.

Die offensive Einbürgerungspolitik der Türkei könnte auch in den Doping-Skandalen der Vergangenheit begründet sein. In der Statistik der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA zu den Doping-Sanktionen im Jahr 2013 sind die Sportler des Landes ganz weit vorne: 2013 sind weltweit insgesamt 1953 Athleten gesperrt worden, davon 188 aus der Türkei. „Vielleicht geht der Türkei nach den vielen Dopingfällen der eigene Nachwuchs aus“, meinte Prokop süffisant.