Vom OP-Tisch aufs WM-Podest? Obergföll in Topform

Paris (dpa) - Vom OP-Tisch aufs WM-Podest? Nach ihrem dritten Diamond-League-Erfolg in Serie zählt Speerwerferin Christina Obergföll zu den großen deutschen Titel-Kandidaten bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften Ende August in Südkorea.

„Mein Ziel ist eine Medaille, ganz klar. Man muss aber auch in Daegu 68 Meter werfen, um die zu holen“, sagte die 29-Jährige nach ihrem Sieg in Paris, bei dem sie am Freitagabend eine Weltjahresbestleistung (68,01 Meter) aufgestellt und dazu noch starke Konkurrenz wie die Olympiasiegerin Barbora Spotakova (Tschechien) geschlagen hatte.

Gut anderthalb Monate vor dem Saisonhöhepunkt am anderen Ende der Welt bietet sich den Verantwortlichen des Deutschen Leichtathletik- Verbandes damit ein vertrautes Bild: Werfer wie Obergföll, Betty Heidler (Hammer) oder der in Paris mit nur einem gültigen Versuch erfolgreiche Diskus-Weltmeister Robert Harting wecken berechtigte Medaillen-Hoffnungen. Die meisten Läufer bereiten dagegen Sorgen.

Ein Jahr nach ihren Erfolgen bei der EM in Barcelona sind 100-Meter-Europameisterin Verena Sailer und Hürdensprinterin Carolin Nytra noch immer verletzt oder nicht richtig fit. Und Vize-Europameister Carsten Schlangen machte in Paris über 1500 Meter die Erfahrung, dass seine Saisonbestzeit von 3:35,74 Minuten in einem internationalen Rennen nur zu Platz 14 reichte.

Obergfölls Entwicklung in diesem Jahr beeindruckt dagegen sogar ihre größten Rivalinnen. Noch im März wurde die Offenburgerin am Knie operiert und stieg erst mit Verspätung in die WM-Saison ein. Mittlerweile führt sie die Weltjahresbestenliste und die Gesamtwertung der Diamond League an. „Im Moment läuft es sehr gut und ich habe viel Spaß. Sogar im Training werfe ich weit“, sagte sie.

Was immer wie ein Handicap aussah, könnte im Nachhinein ein Glücksfall gewesen sein. „Vielleicht habe ich durch die OP das nötige Quäntchen Lockerheit und Entspannung bekommen“, erklärte Obergföll. „Ich habe nicht viel erwartet von diesem Jahr und habe mir gedacht: Ich werfe einfach mal mit.“

So gelöst war sie nicht immer. Schon vor zwei Jahren startete Obergföll sehr vielversprechend in die Saison und setzte sich dann vor der Heim-WM in Berlin zu sehr unter Druck. Ihre Enttäuschung über den fünften Platz ging im Jubel um die neue Weltmeisterin Steffi Nerius völlig unter. Das soll in Daegu nun anders laufen.

Obergföll bremst zwar die Erwartungshaltung und sagt: „Bei dieser WM muss man sich warm anziehen. Spotakova wird immer besser, auch Katharina Molitor habe ich auf dem Zettel.“

Doch ihre Siegesserie in der Diamond League hat sie sehr selbstbewusst gemacht. Während diese lukrative aber langatmige Serie von vielen Beobachtern noch immer kritisch gesehen wird, hat sie für die Badenerin nicht nur aufgrund der Prämien von 10 000 Dollar für einen Tages- und 40 000 Dollar für den Gesamtsieg einen großen Wert. „Das ist der Titel für die konstanteste Werferin der Saison“, meinte sie. „In der Bundesliga zählen ja auch die Ergebnisse eines ganzen Jahres. Bei uns wird alles nur an den Höhepunkten festgemacht.“

Bis dahin sind es in diesem Jahr noch rund sechs Wochen. Und während sich Obergföll eher Sorgen machen muss, ihre Topform solange zu konservieren, können andere Athleten diese Zeit sehr gut gebrauchen. Weitsprung-Europameister Christian Reif (Siebter in Paris) und Hochspringer Raul Spank (Neunter) suchen noch nach ihrer Konstanz, die am Oberschenkelbeuger verletzte Nytra hat noch nicht einmal einen Einstieg in die Saison gefunden. Auch das Diamond-League-Meeting am Sonntag in Birmingham kam für sie zu früh.