Wer spielte welche Rolle im IAAF-Skandal?
Frankfurt/Main (dpa) - Für Korruption und Doping-Vertuschung in der Leichtathletik sei nicht nur „eine kleine Anzahl von Schurken“ verantwortlich. So urteilt die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA über den Skandal im Weltverband IAAF.
Die Frage ist: Wer spielt welche Rolle?
LAMINE DIACK(82/Senegal):
„Lamine Diack hat die Korruption und die Konspiration, die innerhalb der IAAF stattgefunden haben, ermöglicht und organisiert.“ Das ist der zentrale Satz des zweiten WADA-Reports, der am Donnerstag veröffentlicht wurde. Der Senegalese war von 1999 bis 2015 IAAF-Präsident. Zusammen mit seinen Söhnen und engen Vertrauten baute er „einen geschlossenen, inneren Kreis auf, der wie eine informelle und illegitime Regierung außerhalb der IAAF-Strukturen funktionierte.“ So soll das System Diack unter anderem gegen Geldzahlungen Dopingfälle vertuscht und Athleten erpresst haben.
Bislang hat die Ethikkommission der IAAF noch keine Sanktionen gegen ihn verhängt. Sie wartet auch die Erkenntnisse der französischen Justiz ab, die gegen Diack und seinen Anwalt wegen des Verdachts der Geldwäsche und Bestechlichkeit Anklage erhoben hat. Diack ist derzeit nur gegen Kaution auf freiem Fuß. „Verfehlungen ihrer Spitze übertreffen die (bekannten) Verfehlungen der FIFA-Funktionäre, denn sie haben die Integrität des Wettbewerbs und die Doping-Bekämpfung untergraben“, schrieb die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ über die skandalösen Machenschaften Diacks.
SEBASTIAN COE (59/Großbritannien):
Der neue IAAF-Präsident und Diack-Nachfolger saß acht Jahre lang als Vize im Council und gilt allein deshalb schon als vorbelastet. Er verfolgte am Donnerstag die Ausführungen der WADA-Kommission weitgehend regungslos - ebenso die Fragen der Journalisten an Richard Pound nach Coes Rolle im Doping- und Korruptionsskandal. Merkwürdigerweise sagte der Kanadier auf die Frage, ob der Brite der richtige Mann an der Spitze sei: „Ich kann mir keinen Besseren als Lord Coe vorstellen, der das leitet.“ Man könne aus Erfahrung lernen. Auch der deutsche Verbandspräsident Clemens Prokop wunderte sich über die Äußerung Pounds: „Das ist ein gewisser Widerspruch.“
Coes Reaktion auf den Bericht: „Ich bin der Kommission sehr dankbar für die gewissenhafte Arbeit, die uns helfen wird, die Komplexität der Aufgabe zu verstehen, vor der wir stehen.“ Der Brite hatte die ersten Doping-Enthüllungen als „Kriegserklärung gegen meinen Sport“ bezeichnet und bei einer Befragung vor britischen Abgeordneten Fehler im Umgang mit Blutdoping eingestanden. Zuletzt war der zweimalige Olympiasieger und Olympia-Organisator von London 2012 in die Kritik geraten, weil sein Büroleiter Nick Davies seinen Stuhl räumte: Von ihm waren E-Mails aufgetaucht, die nahelegten, dass russische Dopingfälle vor der WM 2013 in Moskau vertuscht werden sollten.
SERGEJBUBKA(52/Ukraine), HELMUT DIGEL (72/Deutschland) UND ANDERE LANGJÄHRIGE COUNCIL-MITGLIEDER:
Stabhochsprung-Weltrekordler Bubka ist nach seinem gescheiterten Versuch, IAAF-Chef zu werden, immer noch als Vize im Council des Weltverbandes aktiv. Der Tübinger Wissenschaftler Digel schied 2015 aus dem Gremium aus und war dort bis 2007 für Marketing zuständig. In dem WADA-Report heißt es: „Es wird mehr und mehr klar, dass deutlich mehr IAAF-Funktionäre über diese Probleme wussten als bisher eingestanden. Es ist nicht glaubhaft, dass gewählte Offizielle nichts über die Verhältnisse in Russland gewusst haben.“
Digel bestritt noch am Donnerstag jegliche Mitwisserschaft: „Wer so eine Behauptung in den Raum stellt, muss die auch belegen. Ich für meine Person weise das in aller Entschiedenheit zurück.“ Der 72-Jährige hatte sich in verschiedenen Funktionen immer wieder im Anti-Doping-Kampf profiliert. Er erklärte aber zum Ende seiner Funktionärskarriere auch, dass die IAAF damit gescheitert sei. Allerdings hatte auch Digel regelmäßig mit dem inzwischen gesperrten Diack-Sohn Papa Massata zu tun, der als Marketing-Beauftragter des Weltverbandes tätig war und eine Schlüsselfigur in dem Skandal ist.