Nationalmannschaft Löw spricht über EM-„Plan B“: Europäischer Fußball trotz Corona-Krise

Berlin · Keine drei Monate vor der EM stellen die Corona-Wirren zum Start ins Länderspieljahr das Konzept der paneuropäischen Europameisterschaft beträchtlich infrage.

Skeptisch, ob eine EM in zwölf Ländern derzeit durchführbar ist: Bundestrainer Joachim Löw. Foto: Thomas Boecker/DFB/dpa

Als erster DFB-Vertreter bestätigte Fußball-Bundestrainer Joachim Löw einen möglichen „Plan B“ für die Ausrichtung des Turniers in nur einem Land. „So wie sich die ganze Geschichte im Moment entwickelt, muss ich ehrlicherweise sagen, ist es nicht ganz so einfach vorstellbar, dass die EM so (wie geplant) stattfinden kann“, sagte der 61-Jährige in der Sendung „Heute im Stadion“ des Bayerischen Rundfunks.

Stand heute scheinen Reisen von 24 EM-Teilnehmern durch zwölf Gastgeberländer quer über den Kontinent bis nach Aserbaidschan kaum problemlos möglich. Bereits für die WM-Qualifikationsspiele der kommenden Tage sind zahlreiche Pandemie-Kompromisse notwendig. Mehrere Partien wurden in andere Länder verlegt, zahlreiche Profis müssen nicht abgestellt werden, weil bei der Rückkehr zu ihren Clubs eine behördlich angeordnete Quarantäne droht. Die Beschränkungen ändern sich dabei kurzfristig.

„Wir waren im Daueraustausch und unsere Ärzte sind im Dauerstress“, sagte Borussia Dortmunds Sportdirektor Michael Zorc bei Sky. Der BVB wird Thorgan Hazard nicht für die Partie der belgischen Nationalmannschaft im als Virusvariantengebiet klassifizierten Tschechien abstellen. Die Tschechen spielen ihre Partie gegen Estland nicht in Tallinn, sondern in Polen, das in Deutschland seit Sonntag als Hochinzidenzgebiet gilt. Die vier tschechischen Bundesligaprofis sollen in Polen dabei sein - und dann aber auf die Partien gegen Belgien und in Wales verzichten.

Der englische BVB-Youngster Jude Bellingham dürfte hingegen wieder gegen San Marino, in Albanien und gegen Polen spielen, weil Großbritannien nur noch Risiko-, aber kein Variantengebiet mehr ist. Aus diesem Grund stellt auch der FC Bayern Weltfußballer Robert Lewandowski nun doch für die polnische und David Alaba für die österreichische Auswahl ab, die in Schottland spielt.

Im vorläufigen Kader Österreichs aus 43 Profis standen 19 in Deutschland aktive Spieler, die nur dank der neuen Klassifizierungen der deutschen Behörden doch relativ problemlos reisen können. Als Verbreitungsgebiet des mutierten Virus stehen auch die Slowakei und Teile Österreichs und Frankreichs auf der Liste deutscher Behörden.

Bei der EM (11. Juni bis 11. Juli) kann sich die Europäische Fußball-Union ein derartiges Hin und Her kaum leisten. Zumal nach dpa-Informationen als (Ersatz-)Ausrichter bei Corona-Problemen nur die ursprünglichen zwölf Gastgeber infrage kommen. Die Variante mit nur einem Gastgeber wäre vermeintlich sicherer.

„Im Moment kann man eigentlich überhaupt nichts sagen, was in den nächsten drei Monaten sein wird“, sagte Löw. „Ich weiß natürlich auch aus Quellen, dass auch ein Plan B vorherrscht, das möglicherweise in einem Land auszutragen.“

Großbritanniens Premierminister Boris Johnson hatte bereits die Bereitschaft hinterlegt, mehr als die geplanten elf Spiele in London und Glasgow auszurichten. Ähnliche Stimmen waren auch aus Russland zu hören. In England sind die Corona-Impfungen weit fortgeschritten, so dass möglicherweise sogar schon bald Zuschauer zugelassen werden könnten. Das hatte UEFA-Präsident Aleksander Ceferin zuletzt zur Voraussetzung für die Gastgeber erklärt, um nicht gestrichen zu werden. Im deutschen Spielort München hatte das angesichts der dritten Corona-Welle für Unverständnis und Kritik gesorgt.

Löw äußerte „Bedenken“ für eine paneuropäische EM. „Die Regierungen überall in Europa untersagen wenn möglich, Reisen zu machen. Und wir reisen dann - alle Mannschaften - quer durch Europa. Da muss man schon vorsichtig sein“, sagte Löw, der keine Prognose wagt: „Man kann es wirklich nicht vorhersagen, wenn man sieht, dass die Fallzahlen wieder nach oben gehen. Die Mutationen sind ja auch nicht so ohne. Wir müssen es so nehmen, wie es sich entwickelt.“