Duell Rosberg gegen Hamilton am Siedepunkt
Budapest (dpa) - WM-Spitzenreiter Nico Rosberg kann im eskalierenden Titel-Zweikampf mit Befehlsverweigerer Lewis Hamilton nicht mehr auf Hilfe vom Kommandostand hoffen.
„Wir können nicht mehr erwarten, dass einer für seinen Hauptrivalen in der WM Platz macht“, erklärte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff nach Hamiltons provokantem Verstoß gegen eine Funk-Anweisung beim Großen Preis von Ungarn. Heißt: Für den Rest der Formel-1-Saison wird es bei den Silberpfeilen wohl keine Teamorder-Versuche mehr geben. Das Duell der einstigen Kart-Kumpels steuert auf den Siedepunkt zu. Jetzt kämpft jeder für sich. „Das wird intensiv“, kündigte Rosberg an.
Nach Hamiltons Budapest-Blockade, als er den auf einer anderen Strategie fahrenden Deutschen trotz mehrfacher Aufforderung von der Box nicht passieren ließ, war Rosberg die Urlaubsstimmung gründlich vergangen. „Ich bin sehr enttäuscht“, bekannte der 29-Jährige in einer Video-Botschaft auf der Massageliege.
Die italienische „La Stampa“ sah „neue Giftpfeile“ fliegen, für die britische „Daily Mail“ ist Hamilton schlicht „kein Teamplayer“. Und „Die Presse“ aus Österreich dichtete: „Des Widerspenstigen misslungene Zähmung“. Selbst ein weiterer Friedensgipfel und die angekündigten internen Debatten werden an der Situation nichts ändern. „Ich fahre für mich und nicht für ihn“, sagte Hamilton kühl.
Eine interne Strafe muss der Brite nicht fürchten. „So etwas wird es nicht geben“, stellte Wolff klar. Team-Aufseher Niki Lauda urteilte gar: „Die Anweisung an Lewis war unnötig.“ Sein Landsmann Wolff verfügte daher: „Wir sind alle erwachsen, wir müssen es nächstes Mal besser machen.“. Auch für Hamiltons öffentliche Vorwürfe an das Team, ihm überhaupt diesen Befehl erteilt zu haben, hatte der Österreicher Verständnis. „Er trägt eben sein Herz auf der Zunge.“
Rosberg dagegen wand sich in den Fragerunden nach dem spektakulären Rennen auf dem Hungaroring um klare Aussagen zu Hamiltons Verhalten. „Wir müssen das intern besprechen, das ist der beste Weg vorwärts für uns als Team. Ihr habt alle gesehen, was passiert ist“, sagte der gebürtige Wiesbadener. Elf Punkte Vorsprung auf Hamilton nimmt der Ungarn-Vierte mit in die knapp vierwöchige Sommerpause bis zum Grand Prix von Belgien.
Geht das Privatduell der überlegenen Mercedes-Fahrer so weiter, könnte tatsächlich erst im letzten Saisonlauf in Abu Dhabi die WM-Entscheidung fallen. Dort werden diesmal doppelte Punkte vergeben. „Ich habe einige Geschichten gelesen, dass ich unter dem Druck zerbreche. Das hier hat hoffentlich gezeigt, dass es nicht so ist und ich weiter mitten im Fight bin“, sagte Hamilton nach seiner Paradefahrt aus der Boxengasse bis auf Rang drei.
In jedem der bisherigen elf Saisonläufe stand damit mindestens ein Mercedes-Fahrer auf dem Podium. Das Polster in der Teamwertung auf Verfolger Red Bull um Budapest-Sieger Daniel Ricciardo und den abgeschlagenen Titelverteidiger Sebastian Vettel beträgt schon 174 Punkte. Genau das erleichtert der Mercedes-Spitze die Entscheidung, die beiden Piloten künftig noch mehr von der Leine zu lassen. „Vielleicht ist das der Zeitpunkt, die Sache zu lockern, wenn beide einverstanden sind“, meinte Motorsportchef Wolff.
Wären da nicht die Sorgen um die Zuverlässigkeit der Silberpfeile, die immer wieder zusätzliche Irritationen auslösen. Nach seinen technischen Defekten in den Qualifikationen für Hockenheim und Budapest hatte Hamilton schon geätzt: „Das ist mehr als Pech, das ist etwas anderes.“ Pfusch zugunsten seines Lieblingsfeindes Rosberg? „Wir müssen uns jetzt beruhigen, alles analysieren und mit mehr Stärke zurückkommen“, mahnte Wolff. Nach entspannten Ferien hört sich das jedenfalls nicht an.