F1 expandiert ins Ungewisse: Abenteuer Indien

Greater Noida (dpa) - Die Formel 1 startet auf der immerwährenden Suche nach neuen Märkten in ihr Indien-Abenteuer. Die Titel-Entscheidungen sind längst gefallen, nun will Chefvermarkter Bernie Ecclestone schon wieder einen weiteren Markt für seinen Milliarden-Zirkus erschließen.

Vier Tage vor der Premiere präsentierte sich zumindest die neue Rennstrecke inmitten der gigantischen Baustelle von Greater Noida nahezu fertig. Es wird nur noch geputzt und gestrichen vor den Toren Neu Delhis.

Am Freitag sollen erstmals die 750-PS-Motoren auf dem Buddh International Circuit aufheulen und die aufstrebende Wirtschaftsmacht Indien für den Motorsport begeistern. Die Formel-1-Sponsoren hoffen auf neue Absatzchancen, Ecclestone wiederum auf frisches Geld. „Der Indien-Grand-Prix ist ein großes Abenteuer für die Formel 1. Es ist gut für die Formel 1, im Land mit der zweithöchsten Bevölkerungszahl der Welt zu fahren und unsere Fangemeinde in neue Märkte auszubauen“, sagte Mercedes-Teamchef Ross Brawn.

Für Fahrer und Teams ist der nächste Expansionsschritt eine echte Herausforderung. Zwar liegt der neue gut 290 Millionen Euro Standort nur rund 50 Kilometer von der Weltstadt Neu Delhi entfernt, doch inmitten der ärmlichen Steinbaracken und staubigen Baustellen dürften sich die an Glamour gewöhnten Stars fühlen wie in einer anderen Welt.

„Ich kenne nur die Bilder von vollen Zügen. Die Ecke, wo das Rennen stattfindet, ist noch nicht so bekannt. Vielleicht noch ein bisschen wilderes Indien als jetzt so die touristischen Punkte. Deshalb freue ich mich“, sagte Doppel-Weltmeister Sebastian Vettel vor der Grand-Prix-Premiere. Der Wersauer Timo Glock (Marussia Virgin) sprach gar von einer „absoluten Reise ins Ungewisse“. Offen ist noch, wie viele Inder sich das teure Vergnügen Formel 1 überhaupt leisten wollen. Bislang seien rund 80 000 der 150 000 Tickets verkauft, hieß es am Mittwoch.

Nach den vorzeitigen WM-Entscheidungen zu seinen Gunsten in der Einzel- und der Team-Wertung bleibt Vettel als sportlicher Anreiz die Jagd auf den Siegrekord in einer Saison von Michael Schumacher aus dem Jahr 2004. Um die Bestmarke seines Kumpels von 13 Saisonsiegen einzustellen, muss Vettel in den noch ausstehenden drei Rennen jeweils triumphieren. „Ich kann es kaum erwarten“, verkündete Vettel.

Der 5,137 Kilometer lange Kurs aus der bewährten Feder des Deutschen Hermann Tilke soll nach Monza der zweitschnellste der Formel 1 werden. Tilke gestand eine gewisse Nervosität vor dem Indien-Debüt. „Weil immer alles kurzfristig fertig wird, wird ja vorher nicht getestet. Es gehen auch immer bei einem ersten Grand Prix - das ist einfach so - Kleinigkeiten schief. Wir gehen da von Null auf Hundert“, sagte der 56-Jährige im Interview der Nachrichtenagentur dpa.

Zu den Unwägbarkeiten um die Strecke gesellten sich im Vorfeld auch Sorgen der Teams um die Reise ins Unbekannte. McLaren-Teamchef Mark Whitmarsh beschwichtigte zwar: „Wir sollten das Thema nicht überbewerten. Für das Team ist es immer eine hohe logistische Herausforderung, egal wohin wir in der Welt fahren.“ Doch Kollege Brawn bekannte: „Wir prüfen natürlich die Lage vor Ort, haben uns Ratschläge geholt. Wir haben ja eine Verantwortung gegenüber unseren Angestellten. Wir freuen uns auf Indien, aber wir treffen die notwendigen Vorsichtsmaßnahmen.“

Sein Mercedes-Schützling Michael Schumacher war vor der Abreise jedenfalls auf alles gefasst. „Man hört aber auch von den großen sozialen Gegensätzen, die einem dort begegnen; und für uns Europäer ist das sicher ungewohnt“, sagte der Rekord-Weltmeister.

Bei den in der Formel 1 engagierten Konzernen ist der Weg in neue Märkte indes ausdrücklich gewünscht. „Natürlich wird die Premiere Neuland für die Formel 1 bedeuten. Aber der Weg, die Formel 1 weiter zu internationalisieren ist exakt der richtige“, sagte Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug der dpa.

Die Formel 1 ist auf ständigem Expansionskurs. Indien ist bereits die fünfte Premiere binnen vier Jahren nach Singapur und Valencia 2008, Abu Dhabi 2009 und Südkorea im vergangenen Jahr. 2012 folgt Austin/Texas und 2014 die russische Olympiastadt Sotschi. Erst am Dienstag bestätigte zudem New Jersey, dass 2013 auch vor der Skyline New Yorks gefahren werden soll. „Ich kann der Formel 1 versichern, dass dies eine der klügsten Entscheidungen ist, die sie je getroffen hat“, sagte New Jerseys Gouverneur Chris Christie.

Auch vor den Wolkenkratzern Manhattans soll Streckenbauer Tilke den Kurs gestalten. „Man muss immer weiter gehen und voraus denken“, sagte Tilke. Geht es nach ihm, soll es bald auch wieder einen Grand Prix in Afrika geben. „Es ist sicherlich auch sinnvoll, da zu fahren über kurz oder lang.“