Der Formel-1-Dauerzoff um die Reifen
Silverstone (dpa) - Seit dem ersten Testtag dreht sich in der Formel 1 in diesem Jahr fast alles um die Reifen. Die Situation ist nun eskaliert. Die geplatzten Gummis in Silverstone haben die Fahrer in Sorge um ihre Sicherheit versetzt.
Dabei geht es aber in dem seit Monaten anhaltenden Streit längst nicht nur um zu weiche und empfindliche Reifen. Hinter den Kulissen tobt ein Kampf der Teams.
8. Februar: Nach den ersten Testfahrten nimmt die Reifen-Debatte Fahrt auf. Der Streckenbelag in Jerez und kühle Temperaturen machen die Runden für die Reifen fast zum Muster ohne Wert.
20. Februar: Auch nach der zweiten Testphase, diesmal in Barcelona ist nur eines klar. „Es ist sehr schwer irgendwas rauszulesen, weil die Reifen ein so dominanter Faktor sind“, sagt Sebastian Vettel.
4. März: Pirellis Motorsportchef Paul Hembery sagt in einem dpa-Interview zum Saisonauftakt: „Wir hoffen, dass wir den Teams eine schwierige Aufgabe für den Start der Saison gestellt haben und dass daraus dann aufregende Rennen resultieren.“ Der Exklusiv-Hersteller machte alle Modelle im Vergleich zum Vorjahr eine Nummer softer - und damit noch empfindlicher.
17. März: Der Saisonauftakt in Melbourne steigert die Verwirrung um die Reifen. Ständig wechselnde Piloten an der Spitze, dazu eine Vielzahl Boxenstopps. Mercedes-Teamaufsichtsratschef Niki Lauda mosert: „Wenn die weichen Reifen so weich bleiben, ist das schlecht für die Formel 1.“
24. März: Vor dem Malaysia-Gastspiel wächst der Groll. „Derzeit von Kräfteverhältnissen zu reden, ist ein Scherz, weil wir fast das ganze Rennen nur auf die Reifenhaltbarkeit auslegen müssen“, sagt Vettel. In Sepang allerdings gewinnt der Red-Bull-Pilot.
16. April: Vor dem Großen Preis von Bahrain kündigt Pirelli-Mann Hembery in einem dpa-Interview an: „Die Entscheidung, ob wir die Reifenmischung verändern oder nicht, wird nach Bahrain bekanntgegeben und würde dann von Barcelona an angewendet.“
21. April: Die Änderungen fallen gering aus. In Barcelona werden die harten Reifen eine neue Mischung erhalten und damit weniger anfällig für Verschleiß sein. Die weichen Reifen sind nicht haltbarer.
12. Mai: Vettel spottet nach dem Großen Preis von Spanien: „Der neue harte Reifen war ein Griff ins Klo.“
13. Mai: Red-Bull-Besitzer Dietrich Mateschitz schaltet sich ein: „Das hat nichts mehr mit Rennsport zu tun, das wurde ein Wettbewerb im Reifenmanagement. Wir können unter diesen Umständen das Potenzial unseres Autos und unserer Fahrer nicht mehr nutzen.“
14. Mai: Zum Kanada-Rennen sollen überarbeitete Reifen geliefert werden: Eine Mischung aus den Elementen des Vorjahrestyps und des aktuellen Designs. Vorausgegangen war ein Machtwort von Formel-1-Boss Bernie Ecclestone.
15. bis 17. Mai: Mercedes testet - ohne es zu wissen - auf Bitten von Pirelli auch diesen neuen Typen bei Privatrunden in Barcelona.
17. Mai: Lotus und Ferrari machen Front gegen Red Bull wegen der veränderten Reifen. Im Gegensatz zum Weltmeister-Team hatten die beiden Rennställe weniger Probleme mit den sensiblen Pneus.
19. Mai: Pirelli wehrt sich. „Diese Saison ist nicht großartig anders als die beiden davor, besonders was die Zahl der Boxenstopps angeht. Was sich geändert hat, ist, dass gewisse Leute die Medien dazu benutzen, um einen individuellen Vorteil für sich herbeizumanipulieren“, sagt Hembery.
26. Mai: Der Reifentest von Mercedes wird am Rande des Grand Prix von Monaco erst bekannt. Red Bull und Ferrari protestieren.
27. Mai: Die FIA behält sich eine Bestrafung von Mercedes vor.
29. Mai: Zum Kanada-Rennen gibt es doch keine neuen Reifen. Stattdessen sollen jeweils zwei Sätze der neuen Hinterreifen-Mischungen beim Freitagstraining getestet werden. Warum? Um die sportliche Gleichheit zu gewährleisten nach dem Mercedes-Test.
2. Juni: Ferrari sieht in der Test-Affäre Mercedes als alleinigen Sünder. Dass die FIA auch die Scuderia wegen verdächtiger Probefahrten im April zu einer Stellungnahme aufgefordert hat, betrachtet der Rennstall als „irrelevantes Detail“.
13. Juni: Pirelli bringt weiter keine neuen Reifen. Frühestens nach den Rennen auf dem Nürburgring und in Budapest sollen veränderte Gummimischungen zum Einsatz kommen.
21. Juni: Mercedes wird vom FIA-Tribunal verwarnt und darf beim nächsten Nachwuchsfahrer-Test nicht mitmachen.
30. Juni: Beim Großen Preis von Großbritannien tritt ein neues Problem auf: Gleich fünf Reifen platzen im Rennen. Und das fast bei Höchstgeschwindigkeit. Die Fahrer sind in großer Sorge. Die FIA beruft eine Sondersitzung mit Pirelli für Mittwoch ein.