„Die Welt ist nicht genug“: Baku feiert Ecclestone
Baku (dpa) - Die Aussicht auf weitere Millioneneinnahmen am neuen Grand-Prix-Standort Aserbaidschan zaubert Bernie Ecclestone ein Lächeln auf die Lippen. „Baku ist eine gute Stadt“, lobt der Formel-1-Chefvermarkter die Metropole der Südkaukasusrepublik.
Mindestens 30 Millionen Euro pro Rennen soll die autoritäre Führung um Staatschef Ilham Aliyev in den nächsten Jahren dem Briten zahlen, berichten Medien. Ecclestone selbst reagiert in Baku mit demonstrativer Abscheu auf Fragen nach dem Geld. „Über zwei Dinge spricht ein Gentleman nie: über die vergangene Nacht und über Geld“, meint der 85-Jährige lediglich.
Formel-1-Neuling Aserbaidschan überschlägt sich im Jubel für den mächtigen Ecclestone. „Die Welt ist nicht genug für ihn“, schwärmt ein Sprecher des Staatsfernsehens in einem Bericht über die globalen Geschäfte des Renn-Moguls. Der Satz ist eine Anspielung auf den gleichnamigen James-Bond-Film von 1999, der teilweise in Aserbaidschan gedreht wurde. Sogar Sportminister Asad Rahimow tänzelt ehrfürchtig um Ecclestone herum. Und Präsident Aliyev lässt sich mit dem Briten in seinem Palast fotografieren.
Ecclestone gehört abseits der Strecke meist zu den Gewinnern - egal, wer nach dem Rennen auf dem Siegertreppchen steht. Und mit autokratisch regierten Ländern, in denen Menschenrechte verletzt und Andersdenkende verfolgt werden, hat der Brite ohnehin kein Problem. Im Gegenteil: Immer wieder äußert er sich negativ über Demokratien.
Die Reiseroute seiner Formel-1-Truppe sieht entsprechend aus: Es sind Länder wie Bahrain, China, Russland, Singapur oder Malaysia, in denen er ungeachtet politisch schwieriger Verhältnisse fahren lässt.
Nicht anders ist es in Aserbaidschan, das den Großen Preis von Europa zur Werbung für sein landschaftlich schönes und geopolitisch wichtiges Land nutzt. Die Warnung von Menschenrechtlern, sich von der Glitzermetropole Baku nicht blenden zu lassen, droht da im Motorenlärm unterzugehen.
Aserbaidschanische Oppositionelle verhehlen nicht ihre Enttäuschung. „Ich bin sehr für Formel 1 in Baku. Ich bitte nur darum, nicht die Augen vor dem Negativen zu schließen“, sagt etwa Rasul Jafarow der Deutschen Presse-Agentur in Baku. Der Anwalt wurde 2015 wegen angeblicher Steuerhinterziehung zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt und kam erst nach internationalem Druck frei. Jafarow wünscht sich vom Westen - und auch von den Grand-Prix-Beteiligten - deutliche Worte an die Regierung der früheren Sowjetrepublik.
Rennställe und Piloten folgen Ecclestones Linie. Im Fahrerlager und bei den Teamchefs wird das Thema Menschenrechte wie eine heiße Kartoffel herumgereicht. „Wir verschließen unsere Augen nicht, im Gegenteil, aber wir sind für die sportliche Seite verantwortlich“, meint etwa Mercedes-Teamchef Toto Wolff in Baku. Beim Gang durch die Boxengasse lässt sich aus Wortfetzen schnell schließen, dass die Fußball-Europameisterschaft für die Teams eher ein Thema ist als die humanitäre Lage in dem öl- und gasreichen Land am Kaspischen Meer.
In vertraulichen Gesprächen ist jedoch durchaus zu hören, dass den Teams die Situation klar ist. In der Pflicht sehen sie sich aber nicht. „Präsident Aliyev wurde vergangene Woche von Kanzlerin Angela Merkel empfangen - da kann man von Sportlern schwer gleichzeitig einen Boykott von Baku fordern“, meint ein Teammitglied. Es ist eine schwierige Gratwanderung für die Königsklasse des Motorsports.
Kontrovers wird nur über die neue Strecke und ihre Sicherheit diskutiert - manche Fahrer kritisieren besonders die Auslaufzonen. Ecclestone wischt solche Zweifel beiseite: Wer den Kurs nicht möge, könne ja abreisen, sagt er.
Im historischen Stadtzentrum dröhnt an diesem heißen Junitag aus einem Souvenirladen das Siegerlied „Running Scared“, mit dem das aserbaidschanische Duo Ell & Nikki den Eurovision Song Contest (ESC) 2012 nach Baku geholt hatte. Bei Menschenrechtlern war schon damals die Hoffnung groß, dass die internationale Aufmerksamkeit zu mehr Demokratie in der Ex-Sowjetrepublik führen könnte. Fünf Jahre später funkelt die von Deutschen gebaute ESC-Halle mit anderen Protzbauten um die Wette. Politische Reformen sind hingegen nicht zu erkennen.