Psychospiel eröffnet: Hamilton erinnert an Ali - Rosbergs Titel-Tabu
(dpa) - Um ein Haar hätte Nico Rosberg schon über den WM-Titel gesprochen. Im letzten Moment kann sich der äußerst gut gelaunte Formel-1-Spitzenreiter im Motorhome seines Arbeitgebers Mercedes aber noch bremsen.
Rosberg vermutet nämlich: „Lewis wird zurückkommen. Das ist sicher“, und meint damit seinen in Bahrain erneut geschlagenen Teamkollegen Hamilton.
Und Rosberg geht auch davon aus, dass Ferrari mit Landsmann Sebastian Vettel und dem Bahrain-Zweiten Kimi Räikkönen mehr zu bieten hat, als zwei Ausfälle in den ersten zwei Saisonrennen: „Sie haben noch nicht gezeigt, zu was sie in der Lage sind, das ist klar.“ Den wahren Ferrari habe man noch nicht gesehen.
Wirklich Sorgen macht sich der vor Zuversicht strotzende Rosberg deswegen aber nicht. Er lacht viel, er scherzt, spricht von einem geilen Gefühl und einer Stimmung im Team, die noch nie so gut war. Und er freut sich bereits auf das kommende Rennen in Shanghai in knapp zwei Wochen, wo er vor vier Jahren den ersten seiner bislang 16 Grand-Prix-Erfolge bejubelt hatte. „Unser Auto läuft normalerweise besonders gut in China.“
Mit 17 Punkten Vorsprung auf Hamilton tritt er beim dritten von 21 Saisonrennen an. Davon, dass Rosberg nun fünf Siege nacheinander eingefahren hat, will der Brite nichts wissen. „Es sind zwei, die Saison ist das, was zählt.“ Rosberg hatte die ersten drei Erfolge seiner aktuellen Serie am Ende der Vorsaison eingefahren, als Hamilton längst als Weltmeister feststand. Frankreichs Sportzeitung „L'Équipe“ stellt dennoch fest: „Um die Leistung einzuordnen genügt es zu schreiben, dass vor Rosberg nur fünf anderen Piloten eine solche Heldentat gelungen ist. Und sie waren alle Weltmeister...“
Wie Hamilton 2014. Zur Fragestunde in Sakhir erschien er direkt nach Rosberg, der ihn zuletzt mehrfach düpiert hatte. Der Brite habe nun schon seit einem halben Jahr nicht mehr das Gefühl gehabt, ein Autorennen zu gewinnen, notiert die Zeitung „The Guardian“: „Sein nächster Sieg dürfte eine enorme Erleichterung für ihn werden, in etwa wie eine Bluttransfusion.“
Die Kollegen des „Telegraph“ höhnten: „Lewis Hamilton erschien auf dem Sakhir-Rundkurs im Stil eines Prinzen aus Bahrain, konnte dann aber nach einem uneleganten Start mit seinem zugerichteten Mercedes nur noch wie ein abgesetzer Emir durch die Runden humpeln.“ Zweimal nacheinander verspielte Hamilton in diesem Jahr seine Pole Position. Das ist ihm in seinen WM-Jahren 2014 und 2015 im Mercedes nie passiert. „Darüber mache ich mir keinen Kopf“, beteuert Hamilton.
Er wirkt dabei nicht, als würde er an seinen Worten zweifeln. „Das ist ein Psychospiel“, betont er. Und mit dem Alter (31) und der Erfahrung (3 WM-Titel und 43 Rennsiege) sei er psychologisch so gefestigt wie noch nie. Zum Beweis zitiert der Brite die Sport-Historie: Muhammad Ali und dessen Boxkampf „Rumble in the Jungle“ gegen George Foreman. Alle hätten gedacht, Foreman gewinnt, aber das habe er nicht.
Welche Rolle kann aber Ferrari im Formel-1-Ring 2016 mit seinen 21 Runden spielen? Vettels defekter Motor von Bahrain sei zu 90 Prozent dahin, muss Teamchef Maurizio Arrivabene zerknirscht eingestehen. Angesichts limitierter Triebwerksanzahl pro Saison ein weiterer Rückschlag für den Deutschen. „Das ist nicht ideal und stolz können wir darauf nicht sein“, kommentiert Vettel.
Der Hesse ist vorerst auf Platz sechs im Gesamtklassement abgerutscht. Vor ihm liegt unter anderem sogar Romain Grosjean vom neuen Rennstall Haas, der eigentlich ein B-Team von Ferrari ist. Auch Teamkollege Räikkönen, der im ersten Rennen von Turbolader-Problemen gestoppt worden war, rangiert nun vor Vettel. Um an die Silberpfeile ranzukommen, muss Ferrari offensichtlich gefährlich nah ans Limit gehen. In Australien hatte die Scuderia bei Vettel auf eine riskante Reifenstrategie gesetzt, die nicht aufgegangen war.
Rosberg wurde dagegen in Bahrain nach seinem Klasse-Start praktisch nicht mehr wirklich gefordert, konnte auf Nummer sicher schalten. Und sich am Ende sogar über ein Replikat seines Siegerpokals freuen. Bislang habe er nämlich nur eine Trophäe, das Original von seinem Monaco-Sieg 2013 zuhause, berichtete er. Als dann die Sprache auf den WM-Pokal kam, hielt er nach dem ersten Wort inne. Er denke nur von Rennen zu Rennen. Nächste Station Shanghai.