Rosbergs Freude durch Hamilton-Geplänkel nicht getrübt
Mexiko-Stadt (dpa) - In der Euphorie über die rauschende Formel-1-Party in Mexiko wollte sich Sieger Nico Rosberg die Laune vom Boxenstopp-Geplänkel seines Teamkollegen Lewis Hamilton nicht mal ein bisschen verderben lassen.
„Ich habe mich wie ein Rockstar gefühlt“, sagte er im Motorhome seines Arbeitgebers Mercedes über die Siegerehrung im rot-weiß-grünen Konfettiregen und die „Nico, Nico, Nico“ skandierenden Fans. „Es ist eine große Genugtuung. Es war ein sehr emotionaler Sieg.“ Auch zwei Stunden nach seinem Triumph strahlte Rosberg noch übers ganze Gesicht.
Die Verantwortlichen des deutschen Werksrennstalls waren derweil bemüht, den Wirbel um die anfängliche Hamilton-Weigerung zu einem zweiten Reifenwechsel und die Diskussion des Briten darüber per Boxenfunk so klein wie möglich zu halten. „Rennfahrer haben Emotionen und wenn sie nicht jedes Mal gewinnen wollten, wären sie nicht die Talente, die sie sind“, betonte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff.
Hamilton hatte sich am Sonntag auf dem Autódromo Hermanos Rodríguez seiner Siegchancen beraubt gesehen, als er zu einem zweiten, vorher nicht geplanten Stopp in die Box gerufen wurde. Er verweigerte die erste Aufforderung, ließ seine Crew mit den Rädern in den Armen warten und begann eine Debatte mit seinem Renningenieur.
Erst als dieser eine unmissverständliche Ansage machte, steuerte Hamilton auf den letzten Drücker den Wagen in die Boxengasse. „Es gab kein Risiko, es gab nichts zu verlieren“, meinte Hamilton nach dem Rennen. Man habe ja die Konstrukteurs-WM auch schon gewonnen, „also lasst es mich doch riskieren“, war seine Devise laut dem britischen Sender BBC.
Rosberg hatte vorher ohne Murren neue Reifen geholt, obwohl auch er von dieser Anweisung nicht begeistert gewesen war. Wolff erklärte die taktische Umstellung von einem auf zwei Reifenwechsel mit dem Verschleiß, der höher als erwartet war. Beim ersten Satz sei einer von Hamiltons Reifen „bis auf 0% Gummi“ herunter gewesen. Zudem hatten die Silberpfeile vor dem Rest des Feldes genügend Vorsprung, um ihre Spitzenpositionen nicht zu gefährden.
„Das war ein Sieg mit Trostpreis-Geschmack für Rosberg. Ein Geschenk von Mercedes“, befand dennoch die spanische Zeitung „El Mundo“. Und das Sportblatt „Marca“ orakelte von einer „Entschädigung für Rosberg. Mercedes ließ nicht zu, dass Hamilton die Strategie aussuchte, schützte so Nico und ermöglichte ihm die Vizemeisterschaft.“
Mit seinem vierten Saisonsieg und dem zwölften seiner Karriere eroberte Rosberg den zweiten Platz im Klassement hinter Hamilton zurück. Der Brite hatte am Wochenende zuvor in Austin seinen dritten WM-Titel perfekt gemacht.
Rosberg, der in Mexiko ein makelloses Rennen von der Pole aus zeigte, ist nun die Vizeweltmeisterschaft wie im Vorjahr kaum mehr zu nehmen. 21 Punkte hat er mehr als sein Landsmann Sebastian Vettel. Der Heppenheimer hatte seinen Ferrari nach einem Plattfuß zu Beginn in die Streckenbegrenzung geschleudert. Kimi Räikkönen war ebenfalls ausgeschieden, die Scuderia brachte erstmals seit April 2006 keinen Wagen ins Ziel. „Fehler, Knall und Reifenpannen. Der schwarze Tag von Ferrari“, kommentierte „La Stampa“.
Was es für Vierfach-Weltmeister Vettel noch schlimmer machte: Dass es ausgerechnet beim stimmungsvollsten Grand Prix, den die Formel 1 seit langer, langer Zeit erlebt hat, passierte. Denn selbst wenn Rosberg der Sieger war, der große Gewinner des Wochenendes hieß Mexiko.
Die Siegerehrung vor Zehntausenden jubelnden und singenden Fans in einem ehemaligen Baseball-Stadion wurde zum ultimativen Gänsehaut-Erlebnis. „Ich erinner' mich an so etwas, als ich als Kind mit meinem Vater zu einem Rennen gegangen bin. Es war ein bisschen wie eine Zeitreise“, meinte Vettel zur gesamten Atmosphäre.
Rosberg durfte die Sieger-Zeremonie sogar als Hauptdarsteller genießen, neben ihm nach einem unterkühlten Händedruck Hamilton und der finnische Williams-Pilot Valtteri Bottas als Dritter. „Es hat alle Erwartungen übertroffen, ganz klar“, meinte der gebürtige Wiesbadener zur Stimmung mit insgesamt 110 000 Zuschauern an der Strecke in Mexiko-Stadt. Und mit dem ersten Hattrick seiner Karriere - Pole, schnellste Runde und Sieg - dürfte er sportlich seine eigenen Erwartungen auch mehr als erfüllt haben.