Rabenschwarzer Tag Roter Zoff am Schwarzen Meer: Vettels bitteres Aus in Sotschi

Sotschi · Sebastian Vettel erlebt in Sotschi ein Fiasko. Er zeigt zunächst eine brillante Leistung, dann stoppt ein Defekt am Ferrari den Deutschen. Für die Scuderia ist es ein rabenschwarzer Tag. Der große Sieger heißt Lewis Hamilton.

Der Rennwagen des Ferrari-Piloten Sebastian Vettel aus Deutschland wird von Mechanikern in der Box abgeschleppt.

Foto: dpa/Luca Bruno

Sebastian Vettel befestigte in aller Ruhe das Lenkrad, hüpfte von seinem Wagen und übergab den defekten Ferrari den Streckenposten. Nach einer Teamorder-Farce hat der viermalige Formel-1-Weltmeister beim Großen Preis von Russland einen niederschmetternden Sonntag erlebt. Eine Woche nach dem Vettel-Triumph in Singapur vor seinem Stallrivalen Charles Leclerc eskalierte der rote Zoff am Schwarzen Meer - mit dem großen Profiteur Lewis Hamilton.

„Ich habe meinen Teil der Absprachen eigentlich eingehalten“, sagte Vettel schmallippig und mit Sonnenbrille nach seinem Aus in der 28. Runde. Den Rest will der zum Fahrer des Tages gekürte Vettel intern klären. Er müsse mit dem Team sprechen, um die Situation besser zu verstehen, kündigte der angefressene Leclerc an.

Titelverteidiger Hamilton fuhr im Mercedes seinen ersten Sieg nach der Sommerpause ein und umarmte auf dem Weg zum Podium erstmal eine riesige Matroschka-Figur. Die Silberpfeile feierten in der ehemaligen Olympia-Stadt Sotschi den sechsten Sieg im sechten Rennen. Mit dem zweiten Platz sorgte Valtteri Bottas für die optimale Ausbeute für den deutschen Werksrennstall, Leclerc wurde im zweiten Ferrari von der Pole Position nur Dritter.

Im WM-Klassement kann die WM für Vettel schon beim nächsten Rennen auch rechnerisch gelaufen sein. Er hat auf Rang fünf 128 Punkte Rückstand auf Spitzenreiter Hamilton (322), Bottas ist Zweiter (249), Leclerc Dritter (215).

Dabei sah es zunächst nach dem zweiten Vettel-Sieg nacheinander aus. Rang drei hatte er in der Qualifikation geschafft - in Sotschi ein Platz mit Siegaussicht. 2017 gewann Bottas im Mercedes nach seinem cleveren Start-Manöver das Rennen. Diesmal nutzte Vettel die Streckencharakteristik für eine beeindruckende Attacke. Er zog an Hamilton gleich auf den ersten Metern vorbei - der Brite war auf langsameren Reifen unterwegs. Dann attackierte der Hesse aus dem Windschatten auch Leclerc. Mit Erfolg. Innen zog er vorbei und lag nun in Führung vor dem Teamkollegen, dann erst folgten die Mercedes.

Wer glaubte, damit wären erstmal alle bei Ferrari glücklich und zufrieden, sah sich getäuscht. Es entwickelte sich eine Funk-Farce à la Ferrari. Zunächst wurde Vettel angewiesen, Leclerc wieder überholen zu lassen. Eine mögliche Erklärung wäre, dass der 21 Jahre Monegasse seinem Teamkollegen den Windschatten zuvor absichtlich gegeben hatte und dadurch überholt werden konnte. Doch Vettel weigerte sich. Die Risse im Team wurden mehr als deutlich.

Denn nun beschwerte sich Leclerc bei seinen Chefs. Eine Woche nachdem ein Boxenstopp Vettel im Teamduell in Singapur begünstigt und dem Deutschen den Weg zum ersten Sieg nach über einem Jahr geebnet hatte, fühlte sich der zum vierten Mal nacheinander von der Pole gestartete Leclerc abermals benachteiligt. Und er verhehlte es nicht - zumindest auf seine Art. Als die Box ihm mitteilte, dass man die Plätze nun doch nicht tauschen wollte, weil Hamilton näher gekommen sei und gefährlich werden könnte, antwortete Leclerc: „Ich verstehe das total. Kein Problem. Ich kenne die Situation.“

Was nun? Plan C oder nicht Plan C? Vettel jedenfalls machte Tempo, hielt Leclerc auf Abstand. Dahinter staunte Hamilton mehrfach über den Speed der Ferraris, der fünfmalige Champion kam nicht ran. Allerdings würde er mit den etwas härteren Reifen länger draußen bleiben können. Als erster der Topfahrer in die Box kam Leclerc. Vor einer Woche war es Vettel gewesen. Jetzt musste der Hesse richtig Gas geben, die ersten Überrundungen waren allerdings nicht förderlich, den Vorsprung auf Leclerc so groß zu halten, dass er beim Vettel-Stopp immer noch hinter ihm bleiben würde.

Die Reifen ließen zudem nach, Vettel informierte sein Team, das ihn aber noch immer nicht reinholte - bis das Polster absehbar nicht mehr ausreichen würde. Und so passierte, was passieren musste: Vettel kam nach seinem Reifenwechsel als Zweiter hinter Leclerc zurück. Doch damit nicht genug. Der Ferrari war am Ende. Ein Defekt. Vettel musste sein Auto abstellen. „Bringt diese verdammten V12 zurück“, fauchte er via Funk. Die früheren Motoren kamen ohne Hybridsystem aus, dass Vettel stoppte.

Was so gut begann, wurde für Ferrari zum kompletten Desaster. Denn Hamilton nutzte die Safety-Car-Phase durch das Vettel-Aus zum Reifenwechsel und schob sich so an Leclerc vorbei. Und auch Bottas schlüpfte durch, weil Leclerc noch mal auf die schnelleren Reifen ging. Danach demonstrierte Mercedes, wie erfolgreiche Teamarbeit aussieht: Bottas diente als Puffer, hielt Leclerc Runde um Runde auf, während Hamilton an der Spitze seinem 82. Karrieresieg entgegenfuhr: „Ein unglaublicher Job von allen, wir haben nie aufgegeben.“

(dpa)