Susie Wolff nimmt Fahrt auf: Ende der F1-Durststrecke
Silverstone (dpa) - Der glücklichste Tag im Privatleben von Susie Wolff liegt fast drei Jahre zurück. Im Oktober 2011 heiratete die schottische Rennfahrerin den heutigen Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff.
In Silverstone kommt nun ein bedeutendes Kapitel in der Sport-Vita der 31-Jährigen hinzu.
Als erste Frau seit der Italienerin Giovanna Amati 1992 wird Wolff einen Formel-1-Wagen während einer Trainingseinheit steuern. Hat die frühere DTM-Pilotin damit vielleicht sogar Chancen auf einen Platz als Stammfahrerin? Bröckelt die Männer-Bastion Formel 1?
Die Frau aus Oban an der Westküste Schottlands bewertet ihren Einsatz im Wagen des Finnen Valtteri Bottas als wichtiges Signal. „Man muss zeigen, dass Frauen auf diesem Niveau mithalten können und damit Schranken öffnen“, sagte Wolff, die mit Mädchennamen Stoddart hieß. Einen Egotrip aus falschem Stolz auf dem Traditionskurs in Mittelengland muss niemand bei Williams befürchten. „Wenn ich auf der Strecke oder im Simulator keinen guten Job machen würde, wäre ich nicht mehr im Team“, stellte sie klar.
Die Reaktionen auf ihr anstehendes Debüt sind unter Kollegen positiv. „Es ist sehr schön, dass sie diese Gelegenheit bekommt“, sagte Bottas. „Sie war großartig“, erinnerte Mercedes-Mann Lewis Hamilton an gemeinsame Kart-Zeiten. „Ich bin mir sicher, dass sie ein bisschen Druck spürt vor ihrer Heimkulisse“, meinte McLaren-Routinier Jenson Button, „es ist aber gut, sie auf der Strecke zu sehen.“
Angespannt ist Wolff vor ihrem Debüt an einem Rennwochenende in der Formel 1 dennoch, nachdem sie im April 2012 Testfahrerin bei Williams geworden war. „Ich werde mein absolut Bestes geben“, kündigte sie entschlossen an. „Wir werden auf jeden Fall eine Frau in die Startaufstellung bekommen“, ist sich Förderin und Co-Teamchefin Claire Williams schon lange sicher.
Wolff weiß, dass sie Leistung bringen muss. Als Marketing-Aktion würde sich die Rennfahrerin, die während der DTM-Zeit schon mal einen pinkfarbenen Mercedes fuhr, nur eine geringe Halbwertszeit geben. „Man muss Leistung bringen, um in diesem Team zu sein“, meinte sie illusionsfrei. Nach Silverstone steht für Wolff in zwei Wochen noch Hockenheim an, wo sie ebenfalls im Training ran soll.
Ihr großer Traum ist ein Grand-Prix-Einsatz. Aber die Plätze sind rar. Talent ist die eine Sache, Sponsorenmitgift die andere. Einige Formel-1-Piloten ergattern mit den Alimenten ihrer Gönner ein Cockpit und finanzierten so angeschlagene Rennställe.
Auch das Sauber-Team ist nicht sorgenfrei. Bei den Schweizern gibt in Monisha Kaltenborn ein weiblicher Boss den Ton an. Und auch bei Sauber soll eine Frau als Pilotin in der Männer-Welt Formel 1 Fuß fassen. Simona de Silvestro lässt ihre IndyCar-Karriere ruhen und wird seit dieser Saison auf einen Einsatz in der Königsklasse des Motorsports vorbereitet. Ende des Jahres könnte es dann auch für die Schweizerin mit einem Trainingsstart soweit sein. „Der Motorsport ist nun mal eine Männer-Welt, das bin ich doch von klein auf gewohnt. Und ich fühle mich wohl in dieser Welt“, sagte die 25-Jährige entspannt.
Formel-1-Geschäftsführer Bernie Ecclestone hätte aus Marketingsicht wohl wenig gegen eine Frau als Stammfahrerin in einem Team. Der gerissene Geschäftsmann hält es jedoch für unwahrscheinlich. „Das große Problem ist, dass selbst wenn eine Frau gut genug wäre, sie auch die Möglichkeit haben muss, das zeigen zu können“, sagte der 83-Jährige zu Saisonbeginn. Eine Frau müsse für dieses Ziel schon erhebliches Sponsorengeld mitbringen. „Susie Wolff ist gut, aber wird sie jemals in der Position sein zu zeigen, wie gut sie ist? Ich bezweifle das.“
Hintergrund: Frauen in der Formel 1:
Rennfahrerinnen sind in der Formel 1 noch immer eine Seltenheit. Als erste Frau nahm die Italienerin Maria Teresa de Filippis 1958 im belgischen Spa-Francorchamps an einem Grand Prix in der Königsklasse des Motorsports teil. Die letzte war ebenfalls eine Italienerin: Zwischen 1975 und 1976 bestritt Lella Lombardi zwölf Rennen, ihr bestes Resultat war Platz sechs in Spanien 1975.
Andere Pilotinnen wie etwa die Südafrikanerin Desiré Wilson 1980 beim Großen Preis von Großbritannien scheiterten schon in der Qualifikation. Die Italienerin Giovanna Amati steuerte 1992 letztmals während einer Trainingseinheit einen Formel-1-Wagen.