Zurück zu den Wurzeln: Hamiltons Zeitreise im WM-Duell
Silverstone (dpa) - Lewis Hamiltons Reise in die Vergangenheit beginnt auf einer Kartbahn im Norden von London.
Vor dem Grand Prix von Großbritannien in Silverstone gewährte der erste Herausforderer von Mercedes-Teamkollege und Formel-1-Spitzenreiter Nico Rosberg einen Einblick in seine Anfangsjahre als Rennfahrer. Der 29-Jährige offenbarte englischen Medien auf dem Rye House Kart Raceway Wehmut, Nostalgie - und Entschlossenheit im knallharten WM-Titelkampf. Hamilton liegt zwar vor dem neunten Saisonlauf am Sonntag 29 Zähler hinter Rosberg, Grund zur Unruhe sieht er aber nicht.
Der Brite sieht sich vor heimischer Kulisse vielmehr besonders in der Pflicht. Silverstone sei „für britische Fahrer besonders“, erklärte Hamilton, der am Donnerstag eine dezent mit dem Muster der britischen Flagge bedruckte Mütze trug. „Ich werde alles dafür tun, um den Leuten zumindest ein bisschen Freude zu bereiten.“ Sein Ziel sei klar: „Ich werde alles dafür tun, um vorne zu sein.“
Der Brite nutzte das Vorprogramm zu seinem Heimrennen, um erneut sein Profil als Motorsport-Underdog, der sich aus ärmeren Verhältnissen nach oben gekämpft hat, zu schärfen und sich wieder als Gegenentwurf zum kosmopolitischen Weltmeister-Sohn Rosberg zu stilisieren. Sein Vater Anthony habe zwischenzeitlich vier Berufe gehabt, um den Traum einer glanzvollen PS-Karriere für den kleinen Lewis Carl Davidson Hamilton zu nähren. „Er hat eine Menge aufs Spiel gesetzt und eine riesige Hingabe gezeigt“, erzählte der Sohnemann. „Viele Menschen machen das, bekommen am Ende aber nicht das, was ich bekommen habe.“
Eine Formel-1-Karriere verziert mit dem WM-Titel 2008. Sechs Jahre ist das schon her. Für Hamilton viel zu lange. Für seinen Widersacher Rosberg darf die titellose Zeit hingegen noch länger andauern. Ausgang vorerst offen. Genauso wie Hamilton seine Anfänge in der Kartszene porträtierte. „Nico hätte gesagt: 'Sobald ich in der Formel 1 bin'. Denn sein Vater war ein Formel-1-Pilot. Für mich war es vielmehr ein: 'Falls ich es jemals in die Formel 1 schaffe'“, beschrieb Hamilton seine Sicht des schon in jungen Jahren schwelenden Asphalt-Wettstreits zwischen sich und Rosberg.
Der Engländer hat einiges gut zu machen. Zwar gewann er in dieser Saison schon vier Rennen, also eines mehr als sein Mercedes-Rivale. Zwei Ausfälle ereilten aber nur Hamilton, und seit drei Grand Prix fuhr er nie als Erster über die Ziellinie. Der konstante Rosberg dagegen beendete keinen Großen Preis schlechter als auf Rang zwei. „Als Neunter zu starten und dann um den ersten Platz zu kämpfen, ist ein riesiges Kompliment an meine Seite der Garage“, erinnerte Hamilton an den Grand Prix von Österreich in Spielberg. „Ich kann eine Menge Positives ins nächste Rennen mitnehmen.“
So sehr sich Hamilton auf der Kartbahn in seine Vergangenheit zurückversetzt fühlte, die Datendebatte holte ihn auch dort ein. „Damals hatten wir keine richtigen Daten“, sagte er. „Ich vermisse diese Schlichtheit.“ Heute sei es definitiv anders. „Wenn man die Daten bekommt, ist es so, als ob man die mathematische Gleichung von jemandem zeigen würde.“ Ein heikler Punkt. Denn Mercedes verlangt von seinen Fahrern die bestmögliche Entwicklungsarbeit am Silberpfeil, um die Dominanz auf jeden Fall bis zum Saisonende durchzuhalten.
Doch Rennfahrer sind alles andere als frei von Egoismen. Vor allem wenn es um einen WM-Titel geht. „Die Daten, alles, ist offen“, hatte Silverstone-Vorjahressieger Rosberg jüngst eingeräumt. „Nur manchmal legst du es nicht so offen und sagst: 'Schau mal, hier ist das, was ich gemacht habe'.“ Motorsportchef Toto Wolff forderte vor dem britischen Grand Prix volle Hingabe. „Wenn wir unsere Ziele erreichen möchten, dürfen wir uns keinerlei Fehler erlauben, da stets jemand darauf lauert, diese zu bestrafen“, warnte er.
Für Mercedes-Teamaufsichtsrat Niki Lauda wird das Privatduell der Silberpfeile kaum an Spannung einbüßen. „Er weiß, dass er hart mit seinem Stallrivalen kämpfen muss, um die Punkte zu holen“, sagte der Österreicher nach dem Spielberg-Rennen über Hamilton. „Er wird nach diesem Resultat noch motivierter nach Silverstone gehen.“