Vettel schimpft über neue Formel-1-Regeln: „Unsinnig“

Paris (dpa) - Mit ihrem Hinterzimmer-Coup von Paris haben die Spitzen der Formel 1 die Lunte für explosive Regel-Debatten gelegt. Vor allem die beschlossene Vergabe von doppelten Punkten im Finalrennen der Saison entfesselte umgehend einen Sturm der Entrüstung.

„Das ist unsinnig und bestraft diejenigen, die eine ganze Saison lang hart gearbeitet haben“, schimpfte Weltmeister Sebastian Vettel via „Sport Bild online“. Nicht minder viel Zündstoff birgt die grundsätzliche Entscheidung für eine Ausgabengrenze, die von 2015 an wirksam werden und den finanziellen Kollaps mehrerer Teams verhindern soll. Schon jetzt kann sich die Königsklasse auf ein kontroverses Jahr 2014 einstellen.

Im Handstreich peitschten die Formel-1-Kommission und die Strategiegruppe mit sechs Rennställen die gravierenden Änderungen durch. Während die von Reifenhersteller Pirelli geforderten zwei Pflicht-Boxenstopps pro Rennen ebenso am Veto der Teams scheiterten wie ein um zehn Kilogramm erhöhtes Gewichtslimit, gaben die Top-Gremien Grünes Licht für die Punkte-Verdopplung im letzten Grand Prix des Jahres. „Das geht einen Schritt zu weit“, befand das renommierte Fachmagazin „Autosport“. „Die Formel 1 ist kein Zirkus voller Werbegags“, schimpfte die britische „Daily Mail“.

Spontane Abstimmungen in Fanforen sahen die Gegner der Reform klar in der Überzahl. Die ursprüngliche Idee für den Punkte-Bonus soll von Chefvermarkter Bernie Ecclestone stammen, der vorzeitigen WM-Entscheidungen wie in diesem Jahr durch Dauersieger Vettel vorbeugen will. „Man stelle sich mal vor, am letzten Bundesliga-Spieltag gäbe es plötzlich doppelte Punktzahl“, sagte Vettel. „Ich schätze die alten Traditionen in der Formel 1 und verstehe diese neue Regel nicht.“

Puristen kritisieren, damit habe der Grand Prix in Abu Dhabi 2014 den doppelten Wert wie die Klassiker Monaco oder Spa. Zudem spiele der Faktor Glück nun eine größere Rolle. Vettels Arbeitgeber sträubte sich angeblich bei den Debatten in Paris gegen die Reform. „Wir waren dagegen. Aber unser Teamchef Christian Horner wurde überstimmt“, behauptete Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko.

Wäre das neue Punktesystem schon früher zur Anwendung gekommen, hätte 2012 nicht Vettel, sondern Fernando Alonso seinen dritten Titel gewonnen. 2008 wäre Felipe Massa anstelle von Lewis Hamilton Weltmeister geworden, 2003 Kimi Räikkönen statt Michael Schumacher. „Doppelte Punkte - das scheint wie die Antwort auf eine Frage, die keiner gestellt hat“, höhnte Ex-Pilot Martin Brundle via Twitter.

Deutlich drängender ist da schon die Ausgabenproblematik. Seit Jahren streiten die Teams darüber, wie sie der Kosten für die Raserei Herr werden und mehr Chancengleichheit herstellen können. Eine Einigung kam nie zustande, weil am Ende jeder seine Interessen durchsetzen wollte. So scheiterte 2009 der frühere Weltverbandschef Max Mosley mit seinem Vorstoß für eine Budgetgrenze, nachdem eine Reihe von Teams mit der Gründung einer eigenen Rennserie drohte.

Nun soll die Formel 1 nach dem Votum ihrer Spitzenvertreter endlich die Kostenbremse treten. Schon in den kommenden Tagen wird sich eine Gruppe mit Repräsentanten des Automobil-Weltverbands FIA, des Rechte-Inhabers CVC und der Rennställe bilden, um bis Juni 2014 die konkreten Regeln für das Ausgabenlimit zu erarbeiten. Zoff über die tatsächliche Höhe der Kostengrenze, die Form der notwendigen Kontrollen und die Strafen bei Verstößen scheint programmiert.

Zu weit lagen bislang die Vorstellungen von Top-Teams wie Red Bull und Ferrari, die pro Jahr mindestens 250 Millionen Euro ausgeben, von denen der kleineren Rennställe entfernt. Informelle Vereinbarungen zur Ressourcenbegrenzung wurden durch Bilanztricks teilweise ausgehebelt, die Motorenreform 2014 kostet wieder Millionen. Kein Wunder, dass selbst etablierte Teams wie Lotus und Sauber tiefrote Zahlen schreiben und nur mithilfe der Mitgift ihrer Bezahlfahrer überleben können. Die Durchsetzung einer Ausgabengrenze könne daher „eine echte Wende im Spiel“ sein, befand die BBC.