Vettel unter Beobachtung - Red Bull: keine Teamorder

Shanghai (dpa) - Alle Augen auf Sebastian Vettel! Nach seinem Ego-Trip steht der dreimalige Weltmeister beim Wiedersehen in Shanghai unter besonderer Beobachtung. Seine chinesischen Fans beglückt der Heppenheimer sogar in Landessprache auf seiner Homepage.

Im Rennen werden vor allem gegen seinen Teamrivalen Mark Webber nur noch Taten zählen. Die Frage: Zieht Vettel nach dem Sieg-Klau bei den Attacken seines In-Team-Feindes auf der Strecke womöglich zurück? „Wenn ich nochmal in dieser Situation wäre, würde ich es anders machen“, kündigte Vettel bereits an.

Er richtete den Blick aber auch aufs Wesentliche. „Natürlich ist Malaysia immer noch in den Köpfen der Leute, aber mein Fokus und auch der des Teams liegen nun auf dem kommenden Rennwochenende“, sagte er in einer Pressemitteilung seines Teamsponsors am Mittwoch. Die Wunden werden vor dem Großen Preis von China am Sonntag aber nicht wirklich verheilt sein.

Zu tief war der Vertrauensbruch innerhalb des Red-Bull-Rennstalls. Auch wenn Vettel nach dem 27. Grand-Prix-Sieg seiner Karriere den Fehler eingeräumt und reumütig um Verzeihung gebeten hatte. „Ich kann Marks Frust und den Ärger des Teams verstehen“, versicherte er. Beim Besuch in der Fabrik in Milton Keynes entschuldigte sich Vettel vor versammelter Mannschaft, Webber war nicht dabei. Er war nach Australien geflogen, surfen in der Heimat, weit weg von Vettel.

In Österreich zürnte derweil Red-Bull-Besitzer Dietrich Mateschitz. Um einen Vorfall wie in Sepang zu verhindern, als Vettel entgegen der Teamorder Webber überholte und sich so seinen ersten Saisonsieg sicherte, reagierte Red Bull. „Stallorder wird es bei uns keine mehr geben“, kündigte Motorsportchef und Vettel-Intimus Helmut Marko in der „Sport Bild“ (Mittwoch) an. Das Team kehrt damit zum jahrelang demonstrativ proklamierten Motto zurück: Freie Fahrt für die Stallrivalen. Aber wird Vettel womöglich aus schlechtem Gewissen seinem Teamkollegen mal die Vorfahrt überlassen? Auch schwer vorstellbar bei einem Racer wie dem Deutschen.

Hätte der Hesse dem vorbelasteten Verhältnis zu dem australischen Routinier nicht neue Nahrung geliefert, könnte Vettel vergleichsweise entspannt durchs Fahrerlager des Shanghai International Circuit schlendern. Mit 40 Punkten nach zwei Rennen führt er die WM-Wertung vor Australien-Sieger Kimi Räikkönen (31) und Webber (26) an.

Außerdem gilt Vettel als Asien-König. Kein anderer Fahrer hat dort mehr Grand Prix gewonnen als der Triple-Champion. 17 Erfolgen in Asien stehen zehn Siege außerhalb des Kontinents gegenüber. Michael Schumacher ist in dieser Statistik Zweiter. Der Rekord-Weltmeister durfte in Asien 13 Mal jubeln.

Trotz Startplatz elf landete Vettel 2012 nach einer wütenden Aufholjagd noch auf Position fünf. Bessere Erinnerungen hat der 25-Jährige aber an das Jahr 2009. „Wir hatten ein gutes Qualifying und dann ein tolles Rennen“, erzählte Vettel über seinen ersten Sieg im Red Bull. Webber raste damals auf Platz zwei.

Auf Platz eins stand vor einem Jahr Nico Rosberg mit einem Silberpfeil. Und an der Stätte des einzigen Sieges seit der Rückkehr von Mercedes als Werksteam soll der Aufwärtstrend aus der noch jungen neuen Saison fortgesetzt werden. Er habe mit seinem „Auto ein gutes Gefühl vor diesem Grand Prix“, sagte der 27-Jährige vor der zehnten Auflage in China.

Unbelastet dürfte die Tour an den Huangpu-Fluss auch für Mercedes nicht sein. Obwohl Rosberg in Malaysia schneller gewesen war, hatte er sich der Order des Rennstalls gebeugt und Lewis Hamilton als Dritten nicht überholt. Der Wiesbadener und sowie der Aufsichtsratsboss Niki Lauda gingen auf Distanz zu Team-Chef Ross Brawn. Hamilton kann's egal sein. Mit 25 Punkten steht der Brite gut da. Sollten sich nach der zweiwöchigen Klausur technische Fortschritte am Wagen einstellen, gilt der zweimalige China-Sieger mindestens wieder als Kandidat für das Podium. „Unser Saisonstart verlief besser als erwartet“, konstatierte Hamilton. „Ich weiß aber, dass wir noch mehr erreichen können.“

Luft nach oben hat auch Fernando Alonso. Nach der Nullnummer von Sepang will Vettels Dauerrivale im Titelrennen Boden gut machen. 22 Punkte Rückstand auf den Deutschen sind selbst zu diesem frühen Zeitpunkt der Saison nicht nach dem Geschmack des Ferrari-Piloten. Auch er steht unter besonderer Beobachtung.