Gribkowsky überrumpelt Gericht im Ecclestone-Prozess
München (dpa) - Mit einer überraschenden Aussage im Schmiergeldprozess gegen Bernie Ecclestone hat Hauptbelastungszeuge Gerhard Gribkowsky den Druck auf den Formel-1-Chef erhöht.
Nach achtstündiger Aussage berichtete der frühere BayernLB-Vorstand dem Gericht auf einmal von früheren Bestechungsversuchen und nannte Beträge von 10 und 80 Millionen Dollar. Richter Peter Noll reagierte höchst verärgert und vertagte die Verhandlung sofort.
Ecclestone hatte Gribkowsky nach dem Verkauf der Formel-1-Anteile an einen ihm genehmen Investor 2006 heimlich 44 Millionen Dollar gezahlt. Das Gericht unter Vorsitz von Noll hatte den Landesbanker darauf wegen Bestechlichkeit und Steuerhinterziehung zu achteinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Jetzt steht Ecclestone unter der Anklage der Bestechung in München vor Gericht.
Gribkowsky sagte als Zeuge zunächst, über Geld habe er mit Ecclestone erst nach dem Verkauf des Formel-1-Pakets der BayernLB 2006 gesprochen. Er habe Ecclestone berichtet, dass die Bank ihm keinen Bonus gezahlt habe, und darauf habe der Milliardär gesagt: „Sag mir eine Zahl.“ Darauf habe er 50 gesagt. Er habe später noch einmal schriftlich an eine Abmachung erinnert, dann habe er zwei dicke Überweisungen bekommen. Wofür, habe er sich nicht gefragt.
Doch am späten Abend kam Gribkowsky beim Erzählen plötzlich auf ein früheres Bestechungsangebot zu sprechen: Ecclestone habe ihm während des Machtkampfs um die Formel 1 zwei Jahre zuvor 10 Millionen Dollar dafür offeriert, dass die Landesbank eine Klage gegen Ecclestones Vetorecht in der Rennserie zurücknehme. Seine Vorstandskollegen und das Landeskriminalamt habe er erst viel später darüber informiert. In der Formel 1 sei es gang und gäbe, dass Probleme mit Geld ausgeräumt würden.
Richter Noll fragte nach: Und Staatsanwaltschaft soll nicht ermittelt haben? Beinahe beiläufig sagte Gribkowsky dann, in Singapur seien ihm sogar 80 Millionen angeboten worden. Wann, wisse er nicht mehr, und so ganz verstanden habe er das Angebot auch nicht. Richter Noll reagierte verägert: „Und damit kommen Sie jetzt!“, rief er dem Zeugen zu. Erst sage er, er habe mit Ecclestone erst 2006 über Geld geredet, und dann fielen ihm viel später plötzlich solche Vorgänge ein. Dann vertagte er die Verhandlung auf nächsten Dienstag.
Dabei hatte sich die Verteidigung Ecclestones am Nachmittag noch von Gribkowskys Aussage in ihrer Argumentation bestätigt gesehen: Ecclestone habe sich von Gribkowsky erpresst gefühlt und deshalb Schweigegeld gezahlt - und kein Bestechungsgeld.
Gribkowsky schilderte ausführlich den Machtkampf mit Ecclestone bis Anfang 2005. Die Bank stritt mit Ecclestone vor Gericht, verhandelte mit Autoherstellern über eine Alternative und die Entmachtung des Briten. Damals habe er auch ein belastendes Papier auf Ecclestones Schreibtisch gelegt, um ihn unter Druck zu setzen. Den Inhalt habe er selbst nicht gekannt, sagte Gribkowsky zur Verwunderung des Gerichts.
Ecclestone hatte mehrfach gesagt, er habe sich von dem Banker wegen Steuerproblemen unter Druck gesetzt und erpresst gefühlt. Sein Verteidiger Sven Thomas sagte nach Gribkowskys Aussage, „dass Druck ausgeübt wurde, der über das normale Maß hinausgeht, das ist heute bestätigt worden“. Die Aussage habe nichts ergeben, was auf eine Unrechtsvereinbarung schließen lasse und die Anklage bestätige.
Doch am späten Nachmittag kratzte Gribkowsky plötzlich an Ecclestones zweiter Verteidigungslinie. Laut Thomas handelte Gribkowsky beim Formel-1-Verkauf nicht als Amtsträger und war damit auch nicht als solcher bestechlich. Gribkowsky sagte aber, Ecclestone sei klar gewesen, dass er es mit einer Staatsbank zu tun hatte. Er habe ihn oft genug als „civil servant“, also Staatsdiener oder Beamter, verspottet. Die Staatsanwaltschaft führte zwei Urteile des Bundesgerichtshofs ins Feld, wonach Vorstände von Landesbanken immer öffentliche Aufgaben wahrnehmen.
Gribkowsky hatte als Risikovorstand 2006 dafür gesorgt, dass die Landesbank ihre Anteile an den von Ecclestone vorgeschlagenen Investor CVC verkaufte. Die Bank habe 850 Millionen Dollar und damit doppelt soviel bekommen wie gedacht; Ecclestone habe Chef am Ring bleiben können und zudem eine satte Provision eingestrichen.
Im November 2011 waren beide Männer schon einmal im Saal A 101 aufeinandergetroffen - damals aber noch unter anderen Vorzeichen. Gribkowsky saß auf der Anklagebank und Ecclestone war Zeuge. Der Vorsitzende Richter ist heute wie damals Peter Noll.
Für den Formel-1-Chef war nach dem Gerichtstermin noch die Reise zum Großen Preis von Spanien geplant. Sein Truck an der Strecke bei Barcelona steht frisch gewaschen und poliert schon bereit.