Neuer Sportvorstand Der Schalke-Plan - Jochen Schneider soll es richten

Jochen Schneider ist der neue starke Mann bei Schalke 04. Trainer Tedesco bekommt eine Galgenfrist, mittelfristig wird der Club neu aufgestellt.

Der neue Schalker Sportvorstand Jochen Schneider steht nach seiner Vorstellung bei einer Pressekonferenz im Spielertunnel.

Foto: dpa/Ina Fassbender

Wer immer neu auf der Schalker Gehaltsliste auftaucht und einigermaßen von Gewicht ist, muss sich in diesem edlen Spielertunnel ablichten lassen, der auf den ausschiebbaren Rasen der Veltins Arena führt. „Wir leben Schalke“ steht da geschrieben, daneben das weiß-blaue Vereinsemblem, befestigt auf einer imposanten Kohlewand. Es ist sozusagen der emotionale Schalke-Schnellkurs. Und ob der bei dem 48 Jahre alten Schwaben Jochen Schneider wirken wird, der jetzt neuer Schalker Sportvorstand und starker Mann der Knappen ist, ist wohl erst später abzusehen, wie das im Fußball fast immer so ist. Abgerechnet wird am Ende: Titel, Tore, Träume oder doch eher: Modell Heidel.

Bei dem Mainzer Christian Heidel hat das nämlich alles nicht so richtig gewirkt, deswegen ist Schneider jetzt da. Und deswegen karten sie beim FC Schalke 04 gerade auch noch ein bisschen nach. „Dass wir nach drei Jahren hier wieder sitzen, hätte ich nicht gedacht“, sagte Schalke-Vorstand Clemens Tönnies gestern bei der Vorstellung Schneiders, weil Heidel eigentlich ein personifiziertes Langfrist-Projekt für die Schalke-Zukunft sein sollte. Schließlich hatte der doch Klopp und Tuchel gemacht. Aber dann wurde Schalke zuerst unansehnlich Vizemeister und dann unansehnlich durchgereicht, und dann war Heidel auf einmal ganz schnell weg. „Ich habe ihn gefragt: Bist du in der Lage, dich täglich neu zu motivieren und die Karre aus dem Dreck zu ziehen? Er antwortete: Nein. Dann war klar, dass es zu Ende ist“, beschrieb Tönnies, der Fleischerei-Gigant, das Gespräch vor wenigen Tagen und ließ durchblicken, dass er von solcher Mentalität nicht viel hält. Aufgeben und abhauen? Das mögen Fleischer aus dem westfälischen Rheda-Wiedenbrück nicht.

Keine Jobgarantie für Tedesco

Domenico Tedesco ist da anders gestrickt. „Wie der hier als 33-Jähriger voran geht, das bewundere ich, der steht wie eine Eins“, sagte Tönnies über den Trainer, der eine Pleite nach der anderen einfährt. Schalke ist Tabellen-14. und hat schon 13 Mal verloren in der Liga. Auch Schneider findet Tedesco „einen fantastischen Trainer, fokussiert und zielorientiert“. Und: „Bemerkenswert, wie er die Verantwortung übernimmt und sich vor die Truppe stellt.“ Aber eine Jobgarantie gibt es für Tedesco nicht. Schneider weiß, dass der Trainer womöglich schon bald nicht mehr da ist, nicht mehr da sein kann. Er mag ihn, „seit ich ihn in Stuttgart als Jugendtrainer erlebt habe“, aber dann fielen für den Trainer Tedesco wirklich gefährliche Sätze: „Wir brauchen eine Trendwende im Spiel am Freitag gegen Bremen, darauf fokussieren wir alles. Wir können nicht so etwas abliefern wie in Mainz (0:3) oder gegen Düsseldorf (0:4). Dafür ist das jetzt sportlich zu prekär.“ Und Schneider sagte: „Ich bin für Kontinuität, aber die darf nicht die Ziele und den sportlichen Erfolg gefährden.“ Er sei dazu mit Tedesco in einem völlig ehrlichen Austausch.

Wann Tedesco bleibt und wann nicht

Ein Szenario: Tedesco bekommt die Kurve in Bremen und liefert auch gegen Manchester City und RB Leipzig vor der Länderspielpause in den kommenden zwei schwierigen Aufgaben ab. Dann dürfte er Zukunft haben. Ein wahrscheinlicheres Szenario: Schalke verliert am Freitag unselig in Bremen und danach übernimmt der Schalker „Jahrhunderttrainer“ Huub Stevens interimsweise am Wochenende. Schneider hatte praktischerweise schon im vereinseigenen Interview auf der Schalke-Homepage erklärt, dass eine zweimalige Entscheidung für Huub Stevens als Trainer des VfB Stuttgart im Abstiegskampf immer goldrichtig gewesen sei, als Schneider dort jahrelang als Sportvorstand gearbeitet hat. Tendenz also: vorgegeben. Stevens segnete den neuen Sportvorstand als Aufsichtsratsmitglied gleich auch noch selbst mit ab.

Vorbild Frankfurt

Klar ist: der Neue auf Schalke ist kein Showman, kein Dummquatscher, sondern ein struktureller Teamarbeiter, der den Verein umbauen will und wird. Sachlich und fundiert. Alles nach „Vier-Augen-Prinzip“. Ein Sportlicher Leiter soll her, der nahe an der Mannschaft arbeitet und für die Medien den Prellbock spielt. Und auch einen technischen Leiter vor allem für Kaderplanung und Vertragsgespräche soll es künftig geben. Es wird „nach Qualität“ gesucht. Ein Vorbild: „Frankfurt macht es toll mit Fredi Bobic, Bruno Hübner und Ben Manga“, sagt Schneider. Auch Schalke wird mehrfüßig. Tönnies findet das gut, auch wenn das für ihn und den Club wohl recht teuer wird. Er hätte es früher haben wollen, aber Heidel wollte das so nicht, erklärte Tönnies gestern. Dass Heidel kürzlich das Gegenteil behauptet hatte – geschenkt. Es ist jetzt eine neue Zeit, die alte wird in den Bilanzbüchern aufgearbeitet. „Die Vizemeisterschaft in der vergangenen Saison“, sagt Tönnies an diesem Tag ehrlich, „hat hier auch manches überdeckt.“ Tönnies will sich weiter weitgehend raushalten aus dem operativen Geschäft. „So gesehen waren die letzten Jahre die schönsten meines Lebens.“

Schneider, der einen Vertrag bis zum 30. Juni 2022 unterschrieb, machte jedenfalls deutlich, dass er vor allem in seinen jüngeren dreieinhalb Jahren bei RB Leipzig als Leiter Sport und Internationalisierung gelernt hat, wie ein professionell denkender Club personell aufgestellt sein muss. Der studierte Betriebswirt begann seine Tätigkeit im Fußball 1999 beim VfB Stuttgart als Assistent des damaligen Sportvorstands Rolf Rüssmann. 2004 wurde er bei den Schwaben zum Sportdirektor befördert und arbeitete unter anderem mit Horst Heldt und Fredi Bobic zusammen. 2015 wechselte er als Leiter Global Soccer zur Red Bull GmbH, bevor er im Juli 2017 nach Leipzig wechselte. Und jetzt Schalke schaffen soll. Oder schafft Schalke auch Schneider?