Olympia vor Premiere: Frauen in allen Teams

Lausanne (dpa) - Die olympische Gleichberechtigung macht Fortschritte: Bei den London-Spielen in diesem Sommer werden wohl erstmals in der Olympia-Geschichte keine Länder mehr ohne Frauen teilnehmen.

Zur historischen Premiere fehlt nur noch das Ja-Wort des Nationalen Olympischen Komitees von Saudi-Arabien. Der eher zurückhaltende IOC-Präsident Jacques Rogge ist „optimistisch“. Noch sei aber nicht endgültig klar, wie viele Athletinnen in welchen Sportarten das Königreich nach London schicken wolle. Gegenwärtig liefen die letzten Verhandlungen mit Saudi-Arabien, wurde in Lausanne bei der Sitzung der IOC-Exekutive bestätigt.

Gerade die Öl-Staaten taten sich bei der Öffnung des Leistungssports für Frauen ganz besonders schwer. Saudi-Arabien, Katar und Brunei waren die einzigen Länder ohne Starterinnen bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking. Knapp viereinhalb Monate vor der Eröffnungsfeier im Londoner Olympiastadion haben Katar und Brunei bereits erklärt, Athletinnen zu nominieren. Erfolgsversprechende Gespräche mit Saudi-Arabien stehen kurz vor dem Abschluss. In den kommenden vier bis sechs Wochen rechnet das Internationale Olympische Komitee (IOC) mit einer positiven Entscheidung.

Dabei hatten die Menschenrechtler von Human Rights Watch die Ringe-Organisation noch Ende Februar an die IOC-Grundsätze erinnert und „wegen Geschlechter-Diskriminierung“ den Olympia-Ausschluss Saudi-Arabiens gefordert. „Dass Frauen und Mädchen nicht für die Wettkämpfe trainieren können, verletzt eindeutig das Gleichberechtigungsgebot der olympischen Charta und verpasst der olympischen Bewegung selbst ein blaues Auge“, kritisierte Human Rights Watch. In einem 51-seitigen Bericht wurde dem saudischen Bildungsministerium vorgehalten, Mädchen die Teilnahme am Sportunterricht an staatlichen Schulen zu verbieten. Frauensporteinrichtungen würden nicht genehmigt, zudem ausschließlich Sportclubs für Männer gefördert.

Rogge hatte sich bereits vor Jahren gegen Sanktionen und für eine Politik des sanften Drucks entschieden. „Wir wollen effektiv verhandeln“, so der Belgier 2010. Nach dpa-Informationen ist die Zusage nur noch Formsache - die Suche nach einer geeigneten Athletin, die über die Rolle als Alibi-Starterin hinauskäme, gestaltet sich ungleich schwieriger. Katar will die Schwimmerin Nada Arkaji und die Sprinterin Noor al-Malki nach London schicken. Brunei hat durch das IOC-Stipendienprogramm mindestens zwei geeignete Kandidatinnen.

Bei den Spielen 1984 in Los Angeles lag der Frauen-Anteil nur bei 23 Prozent, 24 Jahre später in Peking waren es bereits 43 Prozent - in der chinesischen Hauptstadt waren erstmals Athletinnen aus arabischen Staaten wie Oman oder Jemen dabei. In London soll die Frauen-Quote unter den erwarteten 10 500 Athleten auf 45 Prozent steigen. Zudem wird es durch das Olympia-Debüt des Frauen-Boxens keine Disziplin mehr ohne weibliche Teilnehmer geben.

„Das ist ein wichtiger Schritt und ein hervorragendes Signal, dass der Sport die Gesellschaft positiv beeinflussen kann“, lobte IOC-Vize Thomas Bach. Allerdings besteht vor allem im IOC noch erheblicher Nachholbedarf. Gerade einmal 20 der 112 Mitglieder sind Frauen.

2008 hatten die Olympier die Muslimin Nawal el Moutawakel in die Exekutive gewählt und ihr ein Jahr später auch die wichtige Rolle als Koordinatorin für die Spiele 2016 in Rio de Janeiro anvertraut. Die marokkanische 400-Meter-Hürden-Olympiasiegerin von 1984 gilt sogar als Kandidatin im Kampf um das IOC-Präsidentenamt 2013.