Cancellara gewinnt 98. Flandern-Rundfahrt - Dritter Sieg
Oudenaarde (dpa) - Überschattet von einem dramatischen Unfall und gut einem Dutzend heftiger Stürze ist der dritte Triumph von Fabian Cancellara bei der Flandern-Rundfahrt fast zur Nebensache verkommen.
In einer turbulenten 98. Auflage der „Ronde“ holte sich der vierfache Zeitfahr-Weltmeister aus Bern nach der Tortur über 259,8 Kilometern und 17 giftigen Anstiegen den Sieg vor den belgischen Lokalmatadoren Greg van Avermaet und Sep Vanmarcke. Eine 65 Jahre alte Zuschauerin wurde lebensgefährlich verletzt - sie kämpft nach Polizeiangaben um ihr Leben.
„Diese Rennen hier sind sehr gefährlich. Aber die Zuschauer gehören einfach dazu - das ist der Charakter des Rennens“, sagte der deutsche Mitfavorit John Degenkolb, der sich mit dem 15. Platz begnügen musste. „Da stehen Hunderttausende am Straßenrand. Die sind schwer im Zaum zu halten“, sagte Jens Zemke, Teamchef des Zweitligisten MTN Qhubeka zu dem tragischen Unfall.
Sportlich zog Degenkolb, hinter Marcus Burghardt (Chemnitz/12.) zweitbester Deutscher, Bilanz: „Das war ein superschweres Rennen. Wir haben uns gut verkauft. Wir waren zu Zweien vorne, aber im Endeffekt nicht stark genug. Wir waren alle vollkommen K.o.. Cancellara war mit Abstand der Stärkste - mehr war nicht drin“. Zuletzt hatte der gebürtige Thüringer Gent-Wevelgem gewonnen und wird auch am nächsten Sonntag bei Paris-Roubaix am Start stehen. Als letzter Deutscher hatte Steffen Wesemann bei der Flandern-Rundfahrt 2004 triumphiert, erster deutscher Sieger war Rudi Altig (1964).
Die Entscheidung fiel erst auf der Zielgeraden in Oudenaarde, als der clevere Cancellara als Schnellster einer vierköpfigen Spitzengruppe die Konkurrenten düpierte. Zuvor hatten sich die Favoriten gut 37 Kilometer vor dem Ziel abgesetzt. Wenig später waren nur noch 13 Fahrer an der Spitze, 11 Kilometer vor dem Ziel hatte sich das Führungs-Quartett gebildet.
Ein heftiger Unfall und viele Stürze trübten beim belgischen Volksfest vor mehreren hunderttausend Zuschauern am Straßenrand am Sonntag aber die Stimmung. Dabei verletzte sich die 65-Jährige schwer, als sie in der Ortschaft Wielsbeke vom belgischen Radprofi Johan Vansummeren bei hoher Geschwindigkeit frontal erfasst worden war. Die Frau, die sich in der Mitte der Straße auf einer Verkehrsinsel aufgehalten hatte, befand sich nach Informationen des TV-Senders Sporza in einem kritischen Zustand. Der frühere Paris-Roubaix-Sieger Vansummeren wurde ebenfalls mit einem Krankenwagen abtransportiert. Nach ersten Berichten soll er eine Kopfverletzung erlitten haben.
Danach gab es noch weitere mitunter spektakuläre Stürze, wovon einige prominente Fahrer betroffen waren. Bei einem Massensturz erwischte es den zweimaligen Flandern-Sieger Stijn Devolder (Belgien) aus dem Team von Cancellara. Kurz darauf machte in Jaroslaw Popowitsch ein weiterer Teamkollege des Schweizer Klassikerspezialisten einen spektakulären Abflug, als er eine Zuschauerin touchierte. Und auch der Belgier Jurgen Roelandts aus André Greipels Lotto-Team kam schwer zu Fall und musste aufgeben.
Degenkolb war von den schweren Stürzen nicht betroffen und präsentierte sich bei der Fahrt über Koppenberg, Paterberg oder Oude-Kwaremont meist im Vorderfeld. Der Frankfurter vom Team Giant-Shimano stand bei den Spitzenteams nach seinem Sieg bei Gent-Wevelgem unter besonderer Beobachtung. „Es ist nicht gewagt zu behaupten, dass er irgendwann so ein Rennen gewinnen wird“, sagte Rolf Aldag als technischer Manager des belgischen Teams Omega Pharma-Quick Step der Nachrichtenagentur dpa.