Degenkolb schielt auf Regenbogentrikot in Richmond
Burgos (dpa) - John Degenkolb fährt bei der Vuelta seinen aktuellen Ansprüchen hinterher. Bisher gelang dem Mann, der 2012 in Spanien fünfmal gewann und 2014 viermal, kein einziger Etappensieg. Trotzdem gerät der Frankfurter nicht in Panik und fühlt sich auf bestem Weg in Richtung WM in Richmond.
„Ich fühle mich gut. Die vielen Berge hier kommen mir in Richtung WM entgegen“, sagte der überragende Radprofi des Frühjahrs der Deutschen Presse-Agentur.
Degenkolb mag die entspannte Atmosphäre in Spanien, erzählt er. Dieser Tage ist sie sogar noch ruhiger als sonst. Journalisten, die es zum Team-Bus von Giant Alpecin zieht, haben es nicht auf ihn, sondern auf seinen Teamkollegen Tom Dumoulin abgesehen. Der Zeitfahr-Spezialist aus den Niederlanden, der prima mit den Kletterern mithält, hat beste Aussichten, dank des langen Zeitfahrens am Mittwoch in Burgos die Vuelta zu gewinnen.
Über die für ihn ungewohnte Teilung der öffentlichen Aufmerksamkeit ist Degenkolb nicht böse: „Ich freue mich für Tom. Seit ein, zwei Jahren zeigt er schon tolle Leistungen, und jetzt hat er einen Riesenschritt nach vorn gemacht.“ Degenkolb sagt dies in der Haltung eines Mannes, der gönnen kann. Im Frühjahr katapultierte er sich mit dem Gewinn der Klassikers Mailand-Sanremo und Paris-Roubaix selbst in eine andere Umlaufbahn im Radsport. Das hat zu Gelassenheit geführt, gegenüber anderen und auch gegenüber sich selbst.
Unter der warmen Sonne Asturiens gibt er sich abgeklärt. „Das ist ein bisschen wie bei der Tour. Ich war einige Male nah dran. Aber man kann es nicht ändern“, meint er und spricht einen weiteren wunden Punkt dieser Saison an. Auch in Frankreich klappte es nicht mit einem (ersten) Etappensieg. Das ärgert ihn, am meisten in dem Moment, in dem er als Zweiter, Vierter oder Fünfter die Ziellinie passiert. Dann hebt er wütend die Faust und beschimpft sich selbst, das Schicksal und manchmal auch die Konkurrenz.
Ist der erste Ärger verraucht, geht er in einen gelassenen Analysemodus über und gibt dann auch eigene Fehler zu. „Es fehlt noch etwas an der Feinabstimmung. Das kriegen wir hin für die WM“, sagte Jan Schaffrath bei der Vuelta mit Blick auf Degenkolb. Der frühere Telekomprofi aus Berlin ist zwar als sportlicher Leiter des Konkurrenz-Rennstalls Etixx Quick Step in Spanien unterwegs. Als sportlicher Leiter der BDR-Abordnung in Richmond schaut er sich Degenkolb aber besonders gut an.
„John hat es richtig gemacht. Er hat nach der Tour etwas herausgenommen. Er war ja vom Frühjahr an in großer Form. Es ist schwer, eine Form von März bis September zu halten. Nach der Pause braucht er jetzt Rennkilometer. Die holt er sich bei der Vuelta“, betonte Schaffrath. Mancher Konkurrent ist im Hinblick auf die Titelkämpfe in Virginia im Oktober früh aus der Vuelta ausgestiegen. „Natürlich muss man sich über die Berge quälen. Aber die Rennkilometer hier ersparen mir das Training. Und die Berge in den Beinen werden mir in Richmond sicher helfen“, erklärte Degenkolb. Auf dem Weg dahin will er seine bisherige Sieglosigkeit bei der Vuelta noch beenden: „Die Etappe nach Madrid habe ich ja früher schon einmal gewonnen. Das ist eine gute Motivation, bis zum Ende zu fahren“.