Etappensieger Froome narrt alle Herausforderer
Bagnères-de-Luchon (dpa) - Chris Froome hat bei der 103. Tour de France alle Herausforderer an der Nase herumgeführt. Einen Tag vor dem erwarteten Gipfelsturm nach Andorra schlug der Vorjahressieger aus Großbritannien bereits auf der zweiten Pyrenäen-Etappe zu.
Dabei kreierte er einen neuen, kuriosen Abfahrtsstil: Dicht hinter dem Lenker auf dem Oberrohr hockend, tritt Froome mit hoher Frequenz weiter. Der 31 Jahre alte Brite holte sich den Tagessieg in Bagnères-de-Luchon und das Gelbe Trikot von Greg Van Avermaet. Seine wichtigste Trophäe im Ziel der achten Etappe am Samstag: Froome nahm Nairo Quintana 23 Sekunden ab. In Bagnères-de-Luchon riss er beide Fäuste in die Luft.
„Ein Traum ist wahr geworden. Ich habe zum ersten Mal in meiner Karriere versucht, bergab zu attackieren. Es hat geklappt. Ich hätte nicht gedacht, dass ich die Etappe gewinnen kann“, sagte der neue Mann in Gelb, der 16 Sekunden vor seinem Landsmann Adam Yates liegt.
„Niemand hat das sicher erwartet. Das war eine Überraschung. Wir wollten das Spiel ein bisschen anheizen“, gab Froomes Teamchef Dave Brailsford zu Protokoll. Der zweimalige Tour-Zweite Quintana spielte den Rückstand auf Froome herunter: „Das waren noch keine bedeutenden Sekunden“.
Der Sieger von 2015, der bisher eher als mittelmäßiger Abfahrer galt, überraschte auf der Abfahrt vom 1569 Meter hohen Peyresourde bei Geschwindigkeiten bis 90 km/h mit einem neuen Stil. Der mutige Froome, der im Vorjahr auf der ersten Pyrenäen-Etappe - berghoch - die Basis für seinen späteren Sieg gelegt hatte, feierte nach 184 Kilometern den fünften Etappensieg eines Briten bei dieser Tour-Auflage.
Rolf Aldags Prognose vor dem Start in Pau traf zu. „Van Avermaet geht fliegen“, hatte der sportliche Leiter des im Moment erfolgreichsten Tour-Teams Data-Dimension erklärt. Der Belgier Van Avermaet, eher Klassiker-Spezialist als Klassementsfahrer bei einer großen Rundfahrt, verlor wie prognostiziert auf der zweiten Pyrenäen-Etappe sein Maillot Jaune. Im Ziel wies er 25:54 Minuten Rückstand auf Froome auf.
Der deutsche Ex-Meister Emanuel Buchmann, Bester der zwölf gestarteten deutschen Radprofis im Gesamtklassement, konnte lange mit den Großen mithalten. Der Ravensburger, der im Vorjahr in Cauterets in den Pyrenäen Tagesdritter geworden war, musste dreieinhalb Kilometer vor dem Gipfel des Peyresourde aber abreißen lassen.
Der Profi aus dem deutschen Zweitliga-Team Bora-Argon-18 ist dennoch im Plan. „Mein Ziel sind die Top 20 in Paris“, hatte er in Pau erklärt. Auf der achten Etappe fuhr Buchmann auf einen starken 15. Platz noch vor dem angeschlagenen Ex-Favoriten Alberto Contador. Im Gesamtklassement fuhr Buchmann auf Rang 23 vor.
Dessen Landsmann Tony Martin tastet sich langsam an seinen ersten Etappensieg bei der 103. Tour heran. Nachdem er am Vortag in einer großen Ausreißergruppe gescheitert war, versuchte er es am Samstag in einer Dreier-Formation. Der frühere Bergkönig Rafal Majka und Thibaut Pinot hatten früh attackiert, Martin sprang dazu.
Vor der Tour hatte der dreimalige Zeitfahr-Weltmeister einige Kilogramm Körpergewicht verloren, so dass er sich die Tempoverschärfung offensichtlich auch im Hochgebirge zutraute. Aber die drei wurden 43 Kilometer vor dem Ziel eingeholt.
Zum ersten Mal bei dieser Tour hatten die Top-Favoriten ernst gemacht. Dem Tempo fiel erneut auch der zum Auftakt zweimal gestürzte Contador zum Opfer. Der zweifache Toursieger aus Spanien verlor mehr als eineinhalb Minuten auf Froome. Aus dem Rennen um den Gesamtsieg ist er längst raus. Er liegt nun 3:12 Minuten hinter dem furchtlosen Vabanque-Spieler Froome.