Kittel nach Tour-Aus weiter stocksauer

Bensheim (dpa) - Marcel Kittel bleibt nach seinem vom Team verordneten Tour-Aus stocksauer. Zum Auftakt der deutschen Meisterschaften fuhr er bei strahlendem Sonnenschein in Bensheim mit versteinerter Miene zum Einschreiben.

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Aber er ist nicht der einzige, der leidet. Auch Gerald Ciolek, Björn Thurau und Marcus Burghardt erhielten von ihren Chefs die Rote Karte für die am Samstag beginnende 102. Tour de France. Den auf der Strecke gebliebenen stehen elf deutsche Tourstarter gegenüber.

Die Demission des achtfachen Etappengewinners Kittel, der im Frühjahr lange krank war, sorgt weiter für große Unruhe in der deutschen WorldTour-Mannschaft Giant-Alpecin. „Ich bin weiter sehr enttäuscht“, sagte der ausgebootete Supersprinter am Sonntag. Am Vortag hatte es mit Teamchef Iwan Spekenbrink, Kittel und dessen Manager Jörg Werner ein Vier-Stunden-Gespräch gegeben. „Wir sind nicht auf einen Nenner gekommen“, meinte Werner, der „momentan“ nicht von einer vorzeitigen Vertragsauflösung sprechen wollte. „Soweit gehen wir vorerst nicht“, sagte Kittel. Es knirscht auf jeden Fall ganz ordentlich im Gebälk.

Die Team-Entscheidung contra Kittel wegen fehlender Fitness mag umstritten sein. Aber auch außerhalb der Teamführung finden sich Befürworter des harten Schrittes. „Ich kann die Entscheidung nachvollziehen - auch aus gesundheitlichen Gründen. Marcel ist noch nicht wieder bei alter Stärke“, sagte Verbandspräsident Rudolf Scharping in Bensheim.

Kittels Teamkollegen und die befreundete Konkurrenz sehen die Sache natürlich anders. Der dreifache Zeitfahr-Weltmeister Tony Martin war nach der Nicht-Nominierung seines Freundes „geschockt“. Das habe er „nicht verdient“, sagte Martin, der Kittel auch als PR-Motor in Sachen „neuer Radsport“ sieht: „Er war sicher einer der Gründe für das wieder gestiegene Medien-Interesse unseres Sportes“.

John Degenkolb, mit Siegen bei Mailand-Sanremo und Paris-Roubaix der überragende Fahrer des Frühjahrs, tut es für seinen Freund „wahnsinnig leid, aber es ist auch eine große Chance für mich“. Der Klassiker-Spezialist ist nun der einzige Sprinter im Team und kann sich auch im Kampf um das Grüne Trikot etwas ausrechnen. „Für uns beide ist das eine doofe Situation“, meinte Degenkolb.

Etwas undurchsichtig mutet der Tour-Stopp Björn Thuraus bei Bora-Argon 18 an. Der Sohn des einstigen „Tour-Helden“ Dietrich Thurau, der 1977 für 15 Tage in Gelb fuhr, war zu Saisonbeginn als deutscher Hoffnungsträger geholt worden und konnte sportlich auf ein eigentlich ordentliches Frühjahr zurückblicken. Team-Manager Ralph Denk musste sich für den letzten Platz im neunköpfigen Tourteam zwischen vier Fahrern entscheiden. Da sei Thurau beim Zweitligisten auf der Strecke geblieben. „Es hat eben nicht ganz gereicht. Zu Details will ich in der Öffentlichkeit nichts sagen“, erklärte Denk.

Thurau junior erhielt nach eigener Aussage „keine Begründung, die plausibel ist“. Ihm tut es auch für seinen Vater leid. „Er hatte schon eine Einladung der Tour-Organisatoren, aber jetzt hat es ja keinen Sinn, zum Start nach Utrecht zu fahren.“

Der Tour-erfahrene Gerald Ciolek, 2013 Sieger in Sanremo, musste im südafrikanischen MTN-Qhubeka-Team Platz für vermeintlich Stärkere machen. Genau wie Marcus Burghardt im US-Team BMC, in dem der Etappensieger von 2008 als nimmermüder Windschattengeber schon dem früheren Toursieger Cadel Evans wertvolle Dienste geleistet hatte.