Martins Mission Gold: „Silber wäre Enttäuschung“

Kopenhagen (dpa) - Keine Kompromisse: Gold vor Augen will sich Tony Martin bei der Rad-WM in Dänemark weder von einem aus seiner Sicht nicht optimalen Kurs noch drohenden Wetterkapriolen stoppen lassen.

Der bis dato überragende Zeitfahrer in diesem Jahr hat den Kampf gegen die Uhr in Kopenhagen daher zum Alles-oder-Nichts-Rennen ausgerufen. „Silber wäre sicherlich eine Enttäuschung“, verkündete der Thüringer. Nach zwei dritten Plätzen 2009 und 2010 soll es diesmal endlich klappen für den 26-Jährigen, der vor Selbstvertrauen strotzt. „Ich bin mental stärker geworden“, erklärte Martin. „Ich nehme die Favoritenrolle an.“

Nach seinen Zeitfahr-Erfolgen bei Tour de France und Vuelta ist Martin der Mann der Stunde. Die Kampfansage des Deutschen, der sich selbst schon im August als WM-Favorit bezeichnet hatte, erreichte vor allem einen: Fabian Cancellara. „Das hat mich angestachelt“, betonte der Schweizer, viermaliger Weltmeister und Olympiasieger 2008. Der Berner, der seinen WM-Hattrick anstrebt, hat Martin schon etliche schmerzhafte Niederlagen zugefügt und gab daher forsch zu Protokoll: „Ich habe Respekt, aber keine Angst.“

Der Kurs durch die dänische Hauptstadt komme eher Cancellara entgegen, findet Martin. „Als ich gesehen habe, dass lange Geraden fehlen, hat es schon einen kleinen Dämpfer gegeben“, räumte er ein. Seine ruhige Fahrweise, aerodynamische Haltung, perfekte Kraftumsetzung auf die Pedale und Ausdauer könnten auf der zum Teil kurvigen und engen Strecke nicht wie erhofft zur Geltung kommen. „Ich bin noch keinen vergleichbaren Kurs gefahren“, sagte Martin.

Wenn der gebürtige Cottbuser auf das Rennen über 46,4 Kilometer vorausblickt, spricht er auch davon, dass „man am Ende Glück haben muss“ - über Kopenhagen hängen schon seit Tagen dicke Regenwolken. Ungleiche Wetterbedingungen haben nicht zuletzt ihn selbst bei seinem Tour-Etappensieg in Grenoble im Gegensatz zu Cancellara bevorteilt.

Und plötzlich wirkt Martin wieder ein bisschen weniger euphorisch, fast so, als käme er ins Grübeln. Erst als er sich an seine Siege in diesem Jahr - insgesamt gewann er sechs große Zeitfahren - erinnert, ist der Optimismus wieder deutlich da. Er habe vor allem durch seinen Tour-Erfolg „mental einen Sprung gemacht“, sagte Martin. „Ich bin selbstbewusster, weiß wie ich mir Rennen einteilen muss. Das ist noch wichtiger als das Körperliche.“ Auf dem anspruchsvollen Kurs werde ohnehin „nicht nur die pure Beinkraft zählen“, findet Martin.

Für den in der Schweiz am Bodensee wohnenden Radprofi sind Cancellara und die beiden Briten Bradley Wiggins und David Millar die größten Rivalen. Dabei hat ihn in diesem Jahr bislang nur einer geschlagen: Landsmann Bert Grabsch, Sieger bei den deutschen Meisterschaften im Juni.

Der Weltmeister von 2008, der mit Hinblick auf die WM nicht an der Tour de France teilgenommen hatte, fühlt sich in seiner Rolle wohl. „Ich denke, dass mich die meisten unterschätzen“, sagte der 36 Jahre alte Thüringer. „Aber ich bin immer für eine Überraschung gut.“ Von Überraschungen dürfte Tony Martin am Mittwoch nichts halten.