Nach ARD/ZDF-Aus: Maue Perspektiven für Rad-Elite
Berlin (dpa) - Der Traum von der Tour de France hat für viele deutsche Radsportler durch den Rückzug von ARD und ZDF einen herben Dämpfer erhalten. Das neue NetApp-Team könnte von der mangelnden TV-Unterstützung ab 2012 ebenso betroffen sein wie junge Profis.
„Das ist traurig und bedauerlich“, sagte Ralph Denk, Teamchef des derzeit am höchsten klassifizierten deutschen Radrennstalls, der nach höheren Weihen strebt - und so schnell wie möglich zur Tour will. Auch wenn dessen Einkaufspolitik nicht unbedingt diesen Eindruck macht. Ex-Milram-Teamchef Gerry van Gerwen hält den angekündigten Ausstieg indes nur für ein „taktisches Manöver“.
Ein fixes Startrecht in Frankreich haben nur ProTeams. Einige Startplätze vergibt der Tour-Veranstalter ASO jährlich auch an unterklassige Teams. In diesem Jahr gingen alle vier Wild Cards an französische Rennställe. Die Chancen für ein deutsches Team sind nach der ARD/ZDF-Entscheidung gesunken, mit einem Gefallen vonseiten der Tour-Bosse dürfen Mannschaften aus Deutschland kaum rechnen: Schon lange wird die kritische Radsport-Berichterstattung aus Deutschland - die ARD hatte durch Recherchen den Fall Contador erst publik gemacht - von der ASO nicht nur wohlwollend begleitet.
Die Öffentlich-Rechtlichen wollen im Juli 2012 nur kurz und streng nachrichtlich und nicht wie sonst in ausufernder Berichterstattung von der Frankreich-Rundfahrt Notiz nehmen. Als Grund nannten die Sender den Quotenrückgang der vergangenen Jahre. Die anhaltenden Dopingskandale dürften die Entscheidung aber klar beeinflusst haben.
„Natürlich hätten wir ARD und ZDF gern mit im Boot gehabt, wenn wir zum ersten Mal bei der Tour starten. Aber unser Sponsor ist zum Glück global orientiert und uns bleibt ja noch der Spartensender Eurosport“, sagte NetApp-Teamchef Denk der dpa. Dem Ex-Profi schwebt mit seinem 2009 gegründeten Team ein Durchmarsch von ganz unten (Continental Team) bis zur World Tour vor - ganz nach dem Fußball- Vorbild Hoffenheim. Der Bundesligist wurde auch jahrelang von NetApp, einem in Kalifornien ansässigen Computer-Finanzier, gesponsert.
Denk kann den Schritt der TV-Oberen aus der ersten Reihe nicht ganz nachvollziehen: „Mit dem Radsport wird ein Vorreiter in der Doping-Bekämpfung bestraft. Ich würde mir wünschen, dass in allen Sportarten so konsequent kontrolliert würde.“ Dieser Meinung ist auch Hans-Michael Holczer. „Die Angst um Quoten ist ein vorgeschobenes Argument. Die Öffentlich-Rechtlichen messen da mit mehreren Maßen - im Vergleich zu anderen Sportarten“, sagte der ehemalige Manager des Teams Gerolsteiner, der den TV-Ausstieg bei der Suche nach deutschen Sponsoren als „Nackenschlag“ wertete.
Auch für junge deutsche Fahrer birgt der angekündigte Rückzug von ARD und ZDF in punkto Eigenvermarktung Risiken. „Das könnte natürlich ein Nachteil sein“, meint Roger Kluge. Der Cottbuser will sich in seinem Zweitliga-Rennstall Skil-Shimano nun vor allem bei Klassiker- Rennen etablieren. Auf der Suche nach Sponsoren oder gar Elite-Teams könnte dem 25-Jährigen nun wichtige TV-Präsenz fehlen.
Der Ausstieg 2012 erschwert auch den Weg der um Rückkehr bemühten ehemaligen Teamchefs Holczer und Gerry van Gerwen. Ein Mosaikstein zum Aus von Holczers Gerolsteiner-Team 2009 war sicher auch die vorangegangene erste ARD/ZDF-Tour-Abstinenz 2007. Der inzwischen in den Schuldienst zurückgekehrte Mathematik- und Geschichtslehrer träumt noch immer von einem Radsport-Comeback und einem neuen Geldgeber, bleibt aber Realist: „Ich bin nach wie vor offen, die Zielrichtung ist nicht auf Deutschland beschränkt“, sagte Holczer.
Van Gerwen, der 2010 mit dem Milram-Team das Handtuch warf, hat zu dem Vorgang bislang eine Exklusiv-Meinung. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass ARD und ZDF über eine Million Zuschauer, ich könnte auch sagen Kunden, einfach so zu Eurosport schicken“, sagte der Niederländer, der sich vorstellen könnte, dass die TV-Anstalten ihre Entscheidung zurücknehmen.