Tour mal wieder von Doping-Debatte flankiert
Berlin (dpa) - Wenn Radprofis in diesen Tagen über die anstehende Tour de France sprechen, ist ein Glitzern in ihren Augen nicht zu übersehen. Aber wehe, ein Fragesteller interessiert sich für Doping.
Etwa über die Causa um den verdächtigen Rekord-Champion Lance Armstrong und dessen langjährigen Teamchef Johan Bruyneel: Dann wird auch der auskunftsfreudigste Sportler gern zum großen Schweiger. Dabei stehen Doping-Debatten vor der Frankreich-Rundfahrt schon seit Jahren an der Tagesordnung. Diesmal unter anderem im Fokus: Armstrong/Bruyneel, der gesperrte Spanier Alberto Contador und Rückkehrer Alejandro Valverde.
Die Enthüllungen und Vorwürfe der US-Anti-Doping-Agentur USADA gegen Armstrong und dessen ehemalige Entourage haben vor zwei Wochen die Mannschaft RadioShack in Aufregung versetzt. Kein Wunder, lenkt Armstrongs Ex-Teamchef Bruyneel doch heute die Equipe um die Brüder Schleck und die deutschen Routiniers Jens Voigt und Andreas Klöden. Die Mannschaftsleitung ging auf Distanz zu Bruyneel, der in seinen Teams jahrelang Doping gefördert und mit verbotenen Mitteln gehandelt haben soll. In der vergangenen Woche verkündete der Belgier dann, erstmals seit mehreren Jahren nicht zur Tour reisen zu wollen.
Ob er die Wogen damit glätten kann? Seine Schützlinge hoffen das zumindest. „Ach lasst mich doch damit in Ruhe“, meinte Voigt kürzlich auf die Frage, welche Auswirkung das Fehlen des Strategen haben wird. Bruyneel, der Armstrong und Contador dank absoluter Fokussierung zu neun Gesamterfolgen geführt hatte, lenkt derzeit vom Sportlichen ab.
„Von Sport kann man ja wohl kaum noch sprechen“, meinte hingegen der Anti-Doping-Experte Fritz Sörgel, der in der dreiwöchigen Hatz durch Frankreich weniger den athletischen Wettstreit als vielmehr Show und Event sieht - und eben auch die Manipulation im Hintergrund.
Dass die Tour heute sauberer ist als noch vor Jahren - etwa zur Zeit Armstrongs - glaubt der Pharmakologe nicht. „Keinesfalls. Man erwischt wieder nur die Kleinen, die nicht mit Euros oder Dollars gestopften Profis“, sagte Sörgel der Nachrichtenagentur dpa am Mittwoch. Im Vorjahr gab es keinen Dopingfall in Frankreich und das Rennen war vergleichsweise langsam - viele werteten das als Indiz für den Verzicht auf Doping. „In keiner anderen Sportart wird so intensiv kontrolliert wie bei uns“, sagte Zeitfahr-Weltmeister Tony Martin der „Sport Bild“. Sörgel hingegen wendet ein: Mit dem nötigen Know-How ließen sich positive Dopingproben für Betrüger vermeiden. „Man muss nur richtige Experten haben, und schon klappt das“, sagt er. „Es ist alles eine Frage des Geldes.“
Alberto Contador hat ein monatelanger juristischer Kampf und viel Fürsprache aus Spanien nicht geholfen. Der Madrilene muss nach dem Doping-Urteil des CAS zuschauen, wenn von Samstag an 198 Radprofis durch Frankreich fahren. Die Revanche gegen Andy Schleck, dem Contadors Tour-Gesamtsieg 2010 im Nachhinein zugesprochen worden war, fällt ins Wasser - auch weil Schleck selbst verletzt passen muss.
Fallen gelassen wurde Contador aber freilich nicht, sein Team Saxo Bank um Bjarne Riis - selbst ein geständiger Dopingsünder - wird mit ihm nach dem Ende der Sperre am 5. August wieder weitermachen. Im Peloton dürfte der zweimalige Tour-Champion wieder herzlich empfangen werden, was Sympathiebekundungen von Kollegen zuletzt nahelegten.
Spannend wird das Comeback von Contadors Landsmann Valverde, der nach zweijähriger Sperre erstmals wieder bei der Tour aufschlägt. Nach seiner Verurteilung 2010 hatte der Weltverband UCI noch in Person von Präsident Pat McQuaid über den Schaden für den Sport durch die Affäre geschimpft. Nun ist der Spanier im Team Movistar zurück. Und die Iberer wollen es der Welt zeigen. „Er ist in Topform, unser Anführer und wird mit Sicherheit ums Podium mitfahren“, verkündete Sportdirektor Eusebio Unzue.