Ex-Tour-Sieger Ullrich enttäuscht: „Bei mir wird immer über Doping geredet“
Düsseldorf (dpa) - Die Nichtberücksichtigung von Jan Ullrich bei den Feierlichkeiten zum Start der Tour de France in Düsseldorf hat sogar dessen einstigen Rivalen Lance Armstrong auf den Plan gerufen.
„Den Roten Teppich für Jalabert, Virenque, Hinault (und viele andere) ausrollen, aber Jan nicht einladen? Pfft. F... ASO!“, schrieb der lebenslang wegen Dopings gesperrte Armstrong auf Twitter.
Ullrich, der 1997 mit seinem Tour-Sieg den Radsport-Boom ausgelöst hatte, steht in Düsseldorf wegen seiner Doping-Vergangenheit nicht auf der Gästeliste. Andere Ex-Doper wurden dagegen in die Tour-Familie wieder aufgenommen. So gehört Richard Virenque, der einst im Mittelpunkt des Festina-Skandals stand, bereits seit vielen Jahren wieder dem Tour-Tross an. Auch Laurent Jalabert, dessen Doping-Vergangenheit 2013 bei Nachkontrollen publik geworden war, ist als Experte dabei.
Ullrich hat sich unterdessen über den Umgang mit seiner Vergangenheit enttäuscht gezeigt und eine Rückkehr in den Profiradsport ausgeschlossen. „Ich bin seit mehr als zehn Jahren raus, und immer noch wird bei mir über Doping geredet. Ja, ich habe Fehler gemacht, ich habe meine Strafe bekommen, dafür gebüßt. Jeder hat doch auch eine zweite Chance verdient“, sagte Ullrich der „Bild“-Zeitung.
Er habe jüngst beim deutschen Radrennen Rund um Köln als Sportlicher Leiter aushelfen wollen, aber die Vergangenheit hole ihn immer ein. „Deshalb werde ich auch nicht als TV-Experte einsteigen. Der Profiradsport ist für mich gegessen. Ich kümmere mich lieber um die Jedermann-Fahrer. Das macht mir Spaß“, ergänzte der 43-Jährige, der vor 20 Jahren den einzigen deutschen Tour-Sieg geholt hatte. 2006 folgte jedoch der tiefe Fall, nachdem seine Verwicklung in den Skandal um Dopingarzt Eufemiano Fuentes bekannt wurde. Der Internationale Sportgerichtshof CAS sperrte ihn 2012 für zwei Jahre.
Auch eine Funktionärs-Laufbahn komme für ihn niemals in Frage, sagte Ullrich, der sich einen Seitenhieb gegen den Präsident des Bundes Deutscher Radfahrer nicht verkneifen konnte. „Ich habe keine Ahnung, wie man das Amt gut ausübt. Präsident Rudolf Scharping übrigens auch nicht.“ Ullrich veranstaltet inzwischen weltweite Radsport-Camps und ist an einer Firma für Höhenkammern beteiligt.
Mit seiner Familie ist er nach Mallorca umgezogen. Zu den Feiern zum Tour-Start in Düsseldorf ist er nicht eingeladen worden. Er werde am zweiten Tag an der Strecke in Korschenbroich stehen. „Erstmals seit meinem Karriere-Ende“, wie Ullrich betonte.
Von den aktuellen Fahrern hatte es dazu ein wenig Kritik gegeben. „In der Öffentlichkeit sind da noch enttäuschte Gefühle. Als Mensch tut mir Ullrich leid, weiter ausgeschlossen zu sein. Aber er hätte mit seiner Vergangenheit anders umgehen sollen. Viele nehmen ihm übel, dass er sich nie klar zum Thema Doping positioniert hat“, sagte etwa Topsprinter Marcel Kittel. Sunweb-Fahrer Simon Geschke findet die Ausladung „nicht gut“ und meinte: „Ich weiß gar nicht, ob das große Geständnis noch nötig wäre. Jeder, der ein bisschen vom Radsport versteht, weiß doch, was damals war.“
Ein umfassendes Doping-Geständnis hatte Ullrich nie abgelegt, das werde es auch nicht mehr geben. „Ich rede nicht mehr über Doping. Ich schaue nach vorne“, sagte Ullrich, der mit seinem früheren Rivalen und ebenfalls wegen Dopings gesperrten Lance Armstrong noch flüchtig in Kontakt steht. „Ich melde mich bei ihm, wenn ich in den USA ein Radcamp veranstalte. Beim letzten Treffen dachte ich: Hui, du bist auch nicht jünger geworden.“
Jahrelang hatte sich Ullrich mit Armstrong packende Duelle bei der Tour geliefert. Er sei „bisschen stolz“, dass er mit seinem Sieg 1997 den Radsport-Boom in Deutschland mit ausgelöst habe. „Auch die aktuellen Fahrer wie André Greipel sagen: Ich habe angefangen, weil ich Jan Ullrich damals im TV gesehen habe.“