Verlängerung im Schumacher-Fall? - Holczer wehrt sich
Stuttgart (dpa) - Der Angeklagte muss wahrscheinlich nachsitzen, der Hauptzeuge kämpft weiter um seine Glaubwürdigkeit. Dem Betrugsprozess gegen den Radprofi Stefan Schumacher droht vor dem Landgericht Stuttgart die Verlängerung über den 4. Juni hinaus.
Prozesszeuge Hans-Michael Holczer hat sich dagegen verwahrt, vor der großen Strafkammer in Stuttgart gelogen zu haben. Laut Schumacher-Anwalt Michael Lehner könne der Ex-Teamchef dagegen nicht mehr glaubhaft Unwissenheit reklamieren, nach dem Motto: „Ich heiße Hase und steh im Wald“.
Der Sportrechts-Experte aus Heidelberg rechnet nicht mit dem baldigen Ende der Verhandlung. „Das Urteil sollte am 4. Juni gesprochen werden, aber das reicht nicht. Am letzten geplanten Prozesstag werden noch Zeugen vernommen, so dass ich mit weiteren Terminen im Juni rechne“, sagte Lehner der Nachrichtenagentur dpa.
Schumacher hat gedopt - angeklagt ist in der öffentlichen Wahrnehmung aber längst auch sein ehemaliger Teamchef. Dass Holczer bei Gerolsteiner nichts vom Doping seiner Spitzenfahrer Schumacher, Bernhard Kohl und Davide Rebellin mitbekommen haben will, kaufen ihm nur noch wenige ab. Genau darauf zielt die Strategie der Verteidigung: Wenn der große Macher von den Methoden seiner Profis wusste, kann er nicht betrogen worden sein - und Schumacher stünde vor einem Freispruch.
Lehner bewertete die bisherigen Ergebnisse der Verhandlung dann auch so, „dass es nicht zu einer Verurteilung Schumachers wegen Betrugs“ kommen werde. In dem Prozess gehe es nach seiner Meinung zum einen um die strafrechtliche Betrugs-Relevanz, in zweiter Linie aber auch um die Aufklärung: „Was war bei Gerolsteiner los?“
Dem 59 Jahre alten Realschullehrer Holczer passt es überhaupt nicht, irgendwie mit dem geständigen Doper Schumacher in einen Topf geworfen zu werden. Es sei „völlig absurd“, dass er sich von „skrupellosen Dopingtätern“ wie Schumacher und anderen mit Doping in Verbindung stehenden Personen „weitestgehend unhinterfragt“ verleugnen lassen müsse, teilte der ehemalige Teamchef auf dpa-Anfrage am Donnerstag schriftlich auf 14 Seiten mit.
„Ich habe in meinem Team keine Strukturen geschaffen, die Doping geduldet, toleriert oder gar einen Anreiz dazu gegeben hätten“, erklärte er und wiederholte damit seine Aussagen vor Gericht. „Jeder der von geduldetem Doping im Team Gerolsteiner spricht, lügt aus egoistischen und/oder revanchistischen Gründen“, wehrte sich Holczer.
Lehner hatte am fünften Verhandlungstag davon gesprochen, den Ex-Teamchef „der Falschaussage“ überführt und seine Glaubwürdigkeit „zu 100 Prozent“ erschüttert zu haben. Er bezog sich mit dem Kommentar unter anderem auf einen Bericht des WDR vom Montagabend, in dem Holczer zugegeben habe, doch schon vor dem 17. Juli 2008 vom Dopingmittel CERA gehört zu haben - entgegen seiner Aussage vor Gericht.
Wie zuvor dem WDR bestätigte Holczer der dpa, dass er in seinem Postfach eine Mail mit dem Begriff „CERA“ gefunden habe. Diese habe er „wie unzählige andere E-Mails auch“ am 12. Juli 2008 erhalten, sie sei ihm aber bis zur WDR-Anfrage und der eigenen Recherche in seinem Postfach „nicht mehr erinnerlich“ gewesen. „CERA als ein Medikament“ habe er erstmals durch einen Anruf an jenem 17. Juli wahrgenommen.
In dem Betrugsprozess muss die Frage geklärt werden, ob Schumacher Holczer um Gehalt in Höhe von 151 463,50 Euro betrogen hat. Er habe bei der Tour der France 2008 trotz Nachfrage Doping geleugnet, war aber später positiv getestet und gesperrt worden. Mit einer Anzeige der Nationalen Doping-Agentur NADA war der Prozess in Gang gekommen.