Der „alte Hund“ Beerbaum hat noch Heißhunger

Herning (dpa) - An der blumigen Beschreibung seines Ehrgeizes hatte Ludger Beerbaum besonderen Spaß. „Das ist so, als wenn man einem alten Hund ein Stückchen Fleisch hinhält“, sagte der 49-Jährige breit grinsend und fügte hinzu: „Jetzt muss man schauen, ob es Filet oder Rippchen wird.“

Der erfolgreichste Springreiter der Welt will nach dem Team-Silber bei der EM im dänischen Herning auch noch eine Medaille im Einzel.

Die aufregende Aufholjagd der deutschen Mannschaft, die Beerbaum am Donnerstagabend mit einer fehlerfreien Runde versilbert hatte, hat den Routinier noch einmal angestachelt. Allein sechs goldene Plaketten von Europameisterschaften hat er daheim im westfälischen Riesenbeck bereits hängen, doch der viermalige Olympiasieger hat noch lange nicht genug. Es sprudelte nach der Siegerehrung aus dem euphorisierten Reiter nur so heraus.

„Ich glaube nicht, dass ich zu den absoluten Favoriten zähle“, sagte Beerbaum mit Blick auf die Einzelentscheidung am Samstag: „Aber vielleicht kann ich noch den ein oder anderen Platz nach vorne kommen.“ Auf Rang fünf liegt er mit Chiara, mit 3,34 Strafpunkten, das ist weniger als ein Springfehler hinter dem führenden Briten Ben Maher mit Cella. Auf Platz zwei folgt der Franzose Roger Yves Bost mit Paulois (0,58) vor dem schwedischen Titelverteidiger Rolf-Göran Bengtsson mit Casall (1,63)

Favorit im deutschen Lager ist aber nicht der EM-Jubilar Beerbaum bei seiner zehnten kontinentalen Meisterschaft, sondern vielmehr EM-Debütant Daniel Deußer. Beerbaum selbst hatte bereits vor der Abreise nach Dänemark den 32-jährigen Neuling als aussichtsreichsten Kandidaten für eine Einzelmedaille genannt.

Der im belgischen Mechelen lebende Deußer liegt als Vierter mit 2,01 Strafpunkten noch besser im Rennen als Beerbaum. Die Erfahrung solcher Championate zeigt, dass Deußer mit zwei weiteren fehlerfreien Ritten im Sattel von Cornet d'Amour auf einen Medaillenrang vorrücken würde.

Deußer wiegelte natürlich ab. „Das wird ganz eng am Samstag“, sagte der Hesse: „Ganz alleine kann ich nicht gewinnen, selbst wenn ich noch zweimal null reite.“ Deußer muss wie Beerbaum auch auf die Fehler der Konkurrenz hoffen, um noch weiter nach vorne zu kommen.

Dass sein Pferd Cornet d'Amour dazu in der Lage ist, daran hat Deußer keinen Zweifel. Spätestens nach dem Teamwettbewerb, den er als einziger deutscher Starter mit drei makellosen Runden absolvierte und so die Silbermedaille erst möglich machte. „Er hat auch schon in Balve gezeigt, dass er mehrere Runden null gehen kann“, sagte Deußer im Rückblick auf die deutsche Meisterschaft im Sauerland, wo er mit dem Wallach seinen ersten Titel gewann.

Dass Deußer die nötige Nervenstärke hat, daran zweifelt keiner im deutschen Team. Beerbaum sagte über Deußer: „Das ist ein abgezockter Fuchs.“ Und auch der Fuchs - um in Beerbaums Bildersprache zu bleiben - mag gerne ein Stück Fleisch.