Dressur-Bundestrainer Nachfolger des toten Freundes
's-Hertogenbosch (dpa) - Die Stimme klingt noch brüchig. Der Schrecken der Ereignisse ist Jonny Hilberath deutlich anzuhören. Mit dem plötzlichen Tod von Holger Schmezer hat der Dressur-Ausbilder nicht nur einen Kollegen, sondern vor allem einen guten Freund verloren.
Doch genau diese Verbundenheit mit dem am 19. April verstorbenen Bundestrainer hat Hilberath nicht zögern lassen, als er um dessen Nachfolge gebeten wurde. „Selbstverständlich“ werde er die Arbeit weiterführen sagt der 56-Jährige. „Das erfordert die Lage.“
Keine 100 Tage vor den Olympischen Spielen ist Hilberath vom Assistenten zum Cheftrainer aufgestiegen. Angesichts des tragischen Zufalls empfindet er für die Beförderung keine Begeisterung. Ihn treibt eher das Pflichtgefühl an. „Jetzt werde ich erstmal das Projekt Olympia durchziehen“, sagt Hilberath. „Die Motivation heißt: Jetzt erst recht. Ich werde das in Holgers Sinne weiterführen.“
Gleich an diesem Wochenende geht es weiter. Fast alle deutschen Topreiter starten in Hagen bei Osnabrück in die Freiluft-Saison. Auch das lange erwartete Comeback des einst als Wunderpferd gefeierten Totilas mit Matthias Rath steht auf dem Programm.
Und dabei befindet sich der neue Bundestrainer noch in tiefer Trauer. „Wir kannten uns fast ein Leben lang, wir hatten blindes Vertrauen“, erzählt Hilberath über seinen toten Freund. „Es war eine besondere Qualität, dass wir uns auch reiben konnten und daraus etwas gewachsen ist“, beschreibt er die fachliche Zusammenarbeit. Wie schwer der Verlust für ihn wiegt, war ihm am Wochenende beim Weltcup-Finale in 's-Hertogenbosch deutlich anzusehen.
„Das ist im Moment nicht einfach für ihn“, sagt Klaus Roeser, der Vorsitzende des Dressur-Ausschusses. Hilberath sei besonders betroffen. Dass ihm die Nachfolge anvertraut wurde, sei die logische und naheliegende Lösung, sagt Roeser: „Er kennt alle Reiter, und sie kennen ihn.“
Seit rund drei Jahren arbeiteten Schmezer und Hilberath auch im Verband eng zusammen. Der 56-Jährige, der zwischen Hamburg und Bremen im Dörfchen Abbendorf lebt, war als Disziplintrainer offiziell der Assistent von Schmezer. Tatsächlich bildeten die beiden ein Duo. Hilberath war dabei vor allem für das technische Training der Topreiter zuständig. Besonders intensiv kümmerte er sich um Isabell Werth, nachdem die erfolgreichste Dressurreiterin der Welt sich von ihrem Coach Wolfram Wittig getrennt hatte.
Hilberath versucht nun mit Blick auf London Optimismus zu verbreiten und sagt zum zweiten Weltcup-Platz für die 29 Jahre alte Helen Langehanenberg: „Nicht nur dieses Finale kann uns positiv in die Olympia-Saison blicken lassen.“ Auch die erst 24 Jahre alte Kristina Sprehe aus Dinklage gehört zu den neuen Hoffnungsträgern. Zudem seien einige im Vorjahr verletzte Pferde wieder gesund.
„Wir haben nun einige Paare, die hohe Prozentzahlen erzielen können“, sagt Hilberath. „Wenn alle Reiter und Pferde fit bleiben, dann ist das Rennen um die Medaillen in London sehr offen.“ Erfolgreiche Olympische Spiele, das wäre für Hilberath auch eine nachträgliche Bestätigung der gemeinsamen Arbeit mit Schmezer.