Langer Weg zurück: Tragische Athen-Heldin reitet bei EM
Blair Castle (dpa) - An eine Medaille ist im Moment nicht zu denken. Aber Bettina Hoy genießt die EM in den schottischen Highlands trotzdem. Nach einer langen Durststrecke und „einigen Dramen“, wie sie es selber nennt, hat die Vielseitigkeitsreiterin ein bemerkenswertes Comeback gefeiert.
Und sie darf sich nun Hoffnungen auf einen weiteren Olympia-Start nächstes Jahr in Rio machen. Viele hatten der 52-Jährigen das nicht mehr zugetraut. Die Olympischen Spiele sind das große Ziel - gerade wegen ihrer Erlebnisse. Wegen der verlorenen Goldmedaillen, die Hoy zur tragischen Heldin von Athen werden ließen.
Sie ging 2004 als „Olympiasiegerin der Herzen“ in die deutsche Sportgeschichte ein, die zwei Goldmedaillen nach einem Urteil des Gerichtshofes CAS verlor. Es ging damals um einen unbeabsichtigten Patzer beim Einreiten ins Stadion, der dann letztlich zur Aberkennung der Medaillen führte.
2008 und 2012 verpasste Hoy die erhoffte Qualifikation wegen verletzter Pferde. „Irgendwie geht bei mir wohl nichts ohne Drama“, hatte sie nach dem zweiten Olympia-Aus mit einer Mischung aus Fatalismus und Selbstironie gesagt.
Deshalb liegt jetzt „das Hauptaugenmerk darauf, mich nächstes Jahr für die Olympischen Spiele zu qualifizieren. Das wäre genial!“ Die EM ist dafür eine wichtige Zwischenstation. „Wir wollten eigentlich unseren jüngeren Reitern eine Chance geben“, sagt Bundestrainer Hans Melzer. „Aber am Ende zählt die Leistung.“ Mit einem fünften Platz beim Vielseitigkeits-Klassiker in Badminton erkämpfte Hoy sich ihr Ticket für Blair Castle. Es ist ihre erste EM seit 2007.
Dabei hat sich die Reiterin aus Rheine verändert, ist lockerer geworden. „Es ist total super, wieder dabei zu sein“, schwärmt Hoy: „Ich bin völlig entspannt.“ Da sie in Blair Castle nicht im Team, sondern nur als Einzelreiterin startet, kann sie ohne großen Druck reiten.
„Vielleicht weiß man das im Alter alles besser zu genießen“, sagt Hoy, die 1997 als erste deutsche Reiterin in Burghley EM-Gold gewann. Sie ist nicht mehr so ehrgeizig, so verbissen wie früher. „Sie reitet mit Sicherheit entspannter als früher“, beschreibt es der Bundestrainer: „Jetzt macht sie ihr Ding, macht sich weniger Druck.“
Die Rückschläge, vor allem aber die Trennung von ihrem australischen Mann Andrew haben Hoy auch sportlich reifen lassen. „Ich wollte mir und allen anderen immer etwas beweisen“, sagt sie: „Jetzt nicht mehr.“
Das Reiten war in der privaten Krise auch eine Art Therapie. „Ohne den Sport hätte ich das so nicht geschafft“ sagt Hoy und gibt zu: „Ich hätte nicht gedacht, dass es so lange dauert, aus dem Loch zu kommen.“ Teil der Scheidung war es auch, dass sie am Ende das Pferd Lanfranco abgeben musste.
Nun reitet sie den elfjährigen Hengst Designer. „Das ist ein tolles Pferd, das hat sie selber ausgebildet“, sagt der Bundestrainer Melzer und macht Hoy Hoffnungen auf Olympia: „Je besser sie hier ist, desto größer ist die Chance nächstes Jahr.“