Nach Tod von Benjamin Winter: Angst darf nicht mitreiten
Caen (dpa) - Die Gedanken sind auch während der WM bei dem tödlich verunglückten Benjamin Winter - doch die Angst darf auf keinen Fall mitreiten.
Wenn die deutschen Vielseitigkeitsreiter am Samstag bei der WM in der Normandie auf die rund 6,5 Kilometer lange Geländestrecke starten, dann müssen sie die Gefahren ausblenden. „Wenn ich mich in ein Formel-1-Auto setze, darf ich beim Fahren auch an nichts anderes als an das Fahren denken“, sagte Dennis Peiler, Sportchef des deutschen Reitsport-Verbandes FN.
Es fällt schwer, bei den Wettkämpfen in Haras du Pin nicht an Benjamin Winter zu denken. Der junge Reiter wollte sich Mitte Juni in Luhmühlen für die WM qualifizieren. Doch Winter verunglückte beim Geländeritt der Vier-Sterne-Prüfung in der Lüneburger Heide bei einem Sturz mit dem zehn Jahre alten Wallach Ispo. Der WM-Traum des 25-Jährigen endete tödlich.
„Es wurde viel gesprochen zur Aufarbeitung“, berichtete Peiler. Die deutschen Vielseitigkeitsreiter werden ohnehin seit mehrerem Jahren sport-psychologisch betreut, nicht erst seit dem Tod ihres Teamkollegen, der vor einem Jahr noch mit ihnen bei der EM in Malmö ritt. „Sie nehmen das in Anspruch und schätzen das“, berichtete der FN-Sportchef über die Arbeit mit der Sport-Psychologin Gabriele Bußmann: „Im Team wird viel über die Problematik gesprochen.“
Auch für WM-Reiter Dirk Schrade ist klar: „Es gibt ein Restrisiko.“ Trotz aller Bemühungen, die Geländestrecken zu entschärfen und die Gefahr zu minimieren, „kann leider immer etwas passieren“, wie es Doppel-Olympiasieger Michael Jung ausdrückte.
Allein 33 tote Pferde gab es nach Angaben des Reitverbandes FEI zwischen 2010 und 2013. Neun Reiter erlagen zwischen 2004 und 2013 bei internationalen Prüfungen den Folgen von Reitunfällen. Dabei sind vor zehn Jahren die Geländestrecken deutlich verkürzt worden, die Hindernisse entschärft.
„Sie müssen das ausblenden, und das können sie“, sagte Peiler über die deutschen WM-Reiter mit Blick auf die Geländeprüfung am Samstag. Auch Bundestrainer Hans Melzer ist sich sicher: „Alle sind sehr fokussiert. Alle sind stark genug, sie können das im Kopf ausschließen.“ Beim Ritt durch die Hügel der Normandie, der im Idealfall 11 Minuten und 30 Sekunden dauert, „haben sie einen Tunnel-Blick“.
Der deutsche Verband ist besonders bemüht, die Vielseitigkeit sicherer zu machen. Schon lange vor dem Unfall in Luhmühlen ist eine Task Force Sicherheit gegründet worden. Mitglieder dieser Kommission sind auch WM-Teilnehmer und Sybille Winter, die Mutter von Benjamin Winter. „Aufgrund des Todes von Benjamin ist noch einmal alles auf den Kopf gestellt worden“, erklärte Peiler. Dennoch ist auch dem FN-Sportchef klar, dass immer ein Restrisiko bleibt. Es soll nur so klein wie möglich sein.