Ringer-Reformen für olympisches Überleben
Berlin (dpa) - Jetzt fehlt nur noch das Ja-Wort der Olympier: Mit einem Reformpaket und umfassenden Regeländerungen haben die Ringer bei ihrem außerordentlichen Kongress in Moskau die Neuausrichtung des jahrtausendealten Traditionssports vorangetrieben.
Der frisch gekürte Weltverbandspräsident Nenad Lalovic wertete die überfälligen Schritte sogar „als Meilenstein für die nächsten 50 Jahre“. Ende Mai wollen die Mattenkämpfer bei der Präsentation vor der IOC-Exekutive in St. Petersburg den nächsten Punktsieg in olympischen Überlebenskampf feiern - die Chancen dafür stehen gut.
Die beschlossenen Regeländerungen in beiden Stilarten werden zum Teil sofort, spätestens aber bei den Weltmeisterschaften im September in Budapest gelten. Nur einen Tag nach der Sitzung in Moskau wurde das neue Reglement bei einem Wettkampf in Los Angeles bereits angewendet. So wurde wieder in zwei Runden à drei Minuten gekämpft und nicht mehr wie bisher in drei Runden à zwei Minuten. Dadurch sollen die Ringer mehr Zeit haben, ihr taktisches Konzept auszuführen. Die Punkte aus beiden Runden werden addiert. Das soll den Zuschauern den Überblick erleichtern und die Ringer dazu ermuntern, offensiver zu kämpfen und mehr Punkte zu sammeln.
„Wir sind eine Familie voller Stolz, Leidenschaft und Stärke. Wir haben viel Weisheit gezeigt. Heute haben wir den ersten Schritt getan, um bei Olympia zu bleiben und diesen Traum für die vielen jungen Männer und Frauen fortzusetzen“, lobte Lalovic, der bei seinem überzeugenden Wahlsieg 125 Ja-Stimmen bei sieben Ablehnungen erhielt.
Seit dem Rücktritt des Schweizers Raphael Martinetti als FILA-Präsident Mitte Februar führt der Serbe erfolgreich die Geschäfte.
Der Selbsterhaltungstrieb des Internationalen Ringer-Verbandes (FILA) ist bemerkenswert. Jahrelang hatte die FILA-Spitze die IOC-Forderungen nach einer überfälligen Modernisierung ignoriert - bedroht vom Olympia-Aus kann diese jetzt nicht schnell und revolutionär genug abgewickelt werden. Die Macht der Mattenrichter wird eingeschränkt, die Regeln gerade im griechisch-römischen Stil sollen transparenter und verständlicher gemacht werden. Zudem soll es mehr weibliche Gewichtsklassen geben, eine Frauen-Kommission, und eine Frau soll künftig auch als Vizepräsidentin der FILA fungieren.
„Wir waren im Tiefschlaf und sind jetzt wieder aufgewacht“, sagte Lalovic der Nachrichtenagentur dpa, „wir wollen dem IOC zeigen, dass die Botschaft angekommen ist.“ Auch die deutsche Ringer-Familie treibt die intensiven FILA-Bemühungen bei der Comeback-Kampagne weiter mit voran. Allein an diesem Samstag sind landesweit 20 bis 25 Aktionen geplant. So wird der Olympiasieger von 1984 in Los Angeles, Pasquale Passarelli, in Bruchsal einen Schaukampf absolvieren, in Mainz gibt es beim deutschen Mannschaftsmeister ASV einen Tag der offenen Tür.
Nach der IOC-Empfehlung, den Traditionssport von 2020 an aus dem Programm streichen zu lassen, können sich die Ringer vom 29. bis 31. Mai erneut der Exekutive des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) vorstellen. Nach dpa-Informationen gilt es als beschlossene Sache, dass Ringen auch diese Hürde erfolgreich überspringen wird. Im September entscheidet die 125. IOC-Vollversammlung in Buenos Aires dann endgültig über den Olympia-Status. Entweder rückt einer der sieben olympischen Ersatzkandidaten (Baseball/Softball, Klettern, Karate, Rollschuhsport, Squash, Wakeboarden, Wushu) nach, oder Ringen bleibt olympisch.