Schweizer bejubeln ihre „Weltmeister der Herzen“
Stockholm (dpa) - Das goldene Happy End blieb dem Schweizer Eishockey-Märchen durch Schwedens WM-Sieg verwehrt, doch selbst als Vize-Weltmeister hat die „Nati“ ihre Alpenheimat in Ekstase versetzt.
Nach einhelligem Jubel der Medien und etlicher Promis bereiteten Hunderte von Fans den „Silber-Titanen“ um Trainer Sean Simpson am Pfingstmontag einen euphorischen Empfang am Zürcher Airport.
„Diese Jungs hier sind das beste Team aller Zeiten, sie haben unglaublich gespielt“, lobte der Coach die Mannschaft vor laufenden Fernsehkameras und Fahnen schwingenden Fans. „Ich bin unglaublich stolz auf die Mannschaft“, sagte Kapitän Matthias Seger nach der Ankunft der Sondermaschine aus Schweden - zu Jubelgesängen sowie dem Klang von Kuhglocken und Trompeten.
Gegen den neuen Champion Schweden um die famosen Superstar-Zwillinge Henrik und Daniel Sedin ging dem Sensationsteam im Finale am Sonntag mit 1:5 (1:2, 0:0, 0:3) zwar die Luft aus. Daheim in der Schweiz wurde die Simpson-Auswahl dennoch als „Weltmeister der Herzen“ gefeiert. „Danke für die geile Zeit“, schrieb die Zeitung „Blick“ am Pfingstmontag.
In der Stockholmer Globen-Arena hatten die Eidgenossen in den gut zwei Wochen einen Rekord nach dem anderen aufgestellt. Vor allem die neun Siege in neun Spielen bis zum Finale bleiben womöglich einmalig. Dass es im Match um Gold dann nicht reichte, erstmals überhaupt einen großen Titel zu erobern, ließ Spieler wie Trainer nur kurz enttäuscht zurück. „Wir haben in einem WM-Finale gespielt, einem WM-Finale“, stammelte Simpson nach dem Endspiel. „Dass die Schweiz so nahe an einen WM-Titel kommt... Ich habe eigentlich keine Worte dafür.“
Die hängenden Köpfe, mit denen die Final-Außenseiter am Sonntag vor 12 500 Fans ihre Silbermedaillen abholten, dürften sich bei den „Eisgenossen“ um Erfolgsgarant Roman Josi schnell wieder aufrichten. Der Verteidiger wurde in Schweden nicht nur zum besten Spieler der WM gewählt, sondern hatte die Schweiz mit seinem Führungstor im Finale (5.) sogar für wenige Minuten vom ganz großen Coup träumen lassen.
Doch Erik Gustafsson (9.), Henrik Sedin (12./57.), Simon Hjalmarsson (48.) und Loui Eriksson (56.) drehten das Match und beendeten damit auch einen Heimfluch: Erstmals seit 1986 gewann ein WM-Gastgeber Gold. Schon in der Nacht auf Montag versammelten sich Hunderte Fans der „Tre Kronor“ auf dem zentralen Sergels Torg und bejubelten mit Fahnen und Schlachtgesängen den neunten WM-Titel, der letztlich dank der besseren Chancenverwertung, etwas Glück und der Weltklasse des NHL-Brüderduos Henrik und Daniel Sedin zustande kam.
Die Sympathien der Eishockey-Welt waren den unbeugsamen Schweizern dennoch sicher. Die Simpson-Truppe schrieb „ein Märchen vom unbeirrbaren Kampfgeist, von Einsatzbereitschaft und Selbstbewusstsein“, fand die „Neue Zürcher Zeitung“. Der noch vor einem Jahr - als die Schweiz mit WM-Rang elf maßlos enttäuschte - knapp dem Rauswurf entronnene Simpson hatte es geschafft, aus den talentierten Youngsters wie Toptorjäger Nino Niederreiter, Routiniers wie Kapitän Mathias Seger, Goalie Martin Gerber oder All Star Julien Vauclair sowie NHL-Stars wie Josi eine Siegmannschaft zu formen.
Dafür erhielt der Kanadier Lob von höchster Stelle. „Sean Simpson ist ein Glücksfall für die Mannschaft“, sagte Regierungschef Ueli Maurer, der Halbfinale und Finale live vor Ort verfolgt hatte, dem „Blick“. Die für Herbst geplante Einbürgerung des 53-Jährigen sei nur noch Formsache. „Er wird den Pass sicher bekommen“, versprach Maurer.
Den Lobeshymnen schloss sich auch Marc Furrer an, der Präsident von Swiss Ice Hockey: „Der ganze Schweizer Sport kann und soll stolz sein auf diese Mannschaft.“ Das Team habe große Willensstärke bewiesen. Vor dem Turnier habe eigentlich niemand in der Schweiz mit einer Silbermedaille gerechnet.
Schon vor dem Endspiel hatten Chronisten begonnen, die Eishockey-Geschichtsbücher neu zu schreiben. Neun Siege waren einem Schweizer Team bei WM oder Olympia noch nie gelungen, neun Siege ohne Niederlage schon gleich gar nicht. Erstmals seit Bronze 1953 reichte es wieder für Edelmetall, die bisher einzige Silbermedaille datierte aus dem Jahr 1935. Für das „St. Galler Tagblatt“ war der Schweizer Siegeszug die größte Eishockey-Sensation seit dem Erfolg der US-Amateure bei Olympia 1980 in Lake Placid gegen die damals scheinbar übermächtigen Sowjets - dem sogenannten „Miracle on Ice“.