Rugby-England geschockt - Neuseeland auf Titelkurs
Auckland (dpa) - Das Rugby-Mutterland England trauert, WM-Gastgeber Neuseeland steht Kopf: Die favorisierten „Kiwis“ freuen sich nach dem überzeugenden 33:10 gegen den WM-Dritten Argentinien bereits auf den Halbfinal-Hit gegen Australien.
Die Engländer müssen dagegen zwei Wochen vor dem Turnier-Ende die Koffer packen. Nach der bitteren 12:19-Pleite im Viertelfinale gegen den Erzrivalen Frankreich musste der geschockte Champion von 2003 eine böse Medienschelte über sich ergehen lassen. Der „Guardian“ schrieb von „Versagern“, der „Telegraph“ kritisierte: „Tot und begraben. Goldene Gelegenheit verschenkt.“ Die Franzosen treffen im zweiten Halbfinale auf Wales.
Noch Stunden nach dem Sieg gegen Argentinien feierten die rugbyverrückten Neuseeländer ausgelassen den Triumph. Premierminister John Key gratulierte den Helden, auf nahezu jedem TV-Kanal wurden die entscheidenden Spielszenen immer wieder gezeigt. Schließlich haben die knapp 4,3 Millionen Einwohner nicht jeden Tag Gelegenheit, große sportliche Erfolge zu feiern.
Das kommende Halbfinale am 16. Oktober gegen den zweimaligen Weltmeister Australien, der durch einen Straftritt von James O'Connor (71.) knapp gegen die Springboks aus Südafrika gewann, ist für den Gastgeber ein vorweggenommenes Finale. „Jetzt beginnt die WM erst so richtig. Noch haben wir nichts gewonnen, gegen Australien wird es um einiges schwerer“, warnte All-Blacks-Star Dan Carter, für den das Turnier nach einer Adduktorenverletzung frühzeitig beendet ist.
Neben England blieben in Titelverteidiger Südafrika (9:11 gegen Australien) und Irland (10:22 gegen Wales) noch zwei weitere Gruppensieger in der K.o.-Runde auf der Strecke. „Wir hatten mehr Chancen als Frankreich, haben diese aber nicht genutzt“, haderte Englands Trainer Martin Johnson. Mit vier Vorrunden-Siegen hatte sein Team in der Heimat die Hoffnungen auf den zweiten WM-Titel geweckt. Nach der ersten WM-Niederlage gegen eine europäische Mannschaft seit 1995 ist Johnsons Zukunft jetzt ungewiss. Sein Vertrag läuft im November aus, seine Spieler agierten erst nach der Pause und einem 0:16-Rückstand druckvoller. England erzielte noch zwei Versuche, denen „Les Bleus“ aber einen erfolgreichen Dropkick entgegensetzten.
„Ausscheiden wollten wir nicht. Wir wollten zeigen, dass wir gut Rugby spielen können“, sagte Frankreichs Kapitän Thierry Dusautoir. Seine Mannschaft hatte die zwei Vorrunden-Pleiten gegen Neuseeland und Tonga prima weggesteckt. Gegen Wales winkt am 15. Oktober die dritte Endspiel-Teilnahme nach 1987 und 1999. Dazu müssen die Franzosen allerdings die bärenstarke Verteidigung der Waliser knacken. Irland konnte die gut gestaffelte Abwehr nur einmal überwinden - das war im Duell der gälischen Brüder zu wenig.