Segler wollen keine Glücksritter sein

Kiel (dpa) - Weltweit protestieren die Segler gegen die neuen Wettkampf-Formate, die in diesem Jahr bei großen Regatten wie der Kieler Woche getestet werden. Sie sollen den olympischen Segelsport spannender machen, bewirken aber genau das Gegenteil und verwandeln ihn in eine Lotterie.

Der neue Modus legt das Hauptgewicht auf ein einziges Medaillenfinale. Die Gesamtleistung der Sportler wird also entwertet. „Nun ist ein hoher Glücksfaktor im Spiel. Das neue Format nimmt dem Sport zu viel“, kritisiert Doppel-Olympiasieger Robert Scheidt aus Brasilien die Reform. Sein Laser-Kontrahent, Philipp Buhl, der Europameister, stellt fest: „Das ist ein krasses Format, mit einem hohen Glücksfaktor.“

Surfer Toni Wilhelm, der Olympia-Vierte auf dem RS:X-Board, meint: „Unsere Regatten dürfen nicht mit einer Lotterie enden.“ Und 49er-Weltcupsieger Erik Heil prophezeit: „Das neue System wird sich nicht durchsetzen.“ Auch von Funktionärsseite gibt es Unterstützung. „Ich bin für kreatives und innovatives Denken, sonst würden wir heute noch auf Dreieckskursen segeln. Aber wir dürfen den Grundgedanken des olympischen Segelsport und der Ermittlung der Besten in unterschiedlichen Bedingungen nicht gänzlich über Bord werfen“, sagt Nadine Stegenwalner, die Sportdirektorin des Deutschen Seglerverbandes, einst eine erfolgreiche Wettkämpferin.

Für die Reform der Reform bauen sie auf den Italiener Carlo Croce, den neuen Präsidenten des Weltseglerverbandes. „Wir hoffen, dass Croce demokratischer agieren wird als seine Vorgänger, die machten, was sie wollten. Wir hoffen, dass Croce unsere Stimmen hört“, sagt Scheidt, der 40 Jahre alte fünfmalige olympische Medaillengewinner.

Weil Segeln ein Natursport ist, bei dem die Athleten unterschiedlichste Bedingungen beherrschen müssen, wünschen sie sich bei der Medaillenvergabe eine Gesamtbewertung ihrer Leistungen. Viele Segler hoffe, dass mit dem neuen Präsidenten auch weitere Entscheidungen revidiert werden, und es irgendwann eine Rückkehr des Starboots in die olympische Familie gibt.

Scheidt, der Starboot-Silber- und Bronzemedaillengewinner von 2008 und 2012, bedauert das Aus der prominenten Klasse für die olympische Regatta 2016 in seiner Heimat: „Die Entscheidung ist falsch. Sie nimmt dem olympischen Segelsport viele Stars, Charme und Geschichte.“ Nach dem Starboot-Aus stieg Scheidt wieder in die Einhandjolle Laser, in der er zwischen 1996 und 2004 zwei Gold- und eine Silbermedaille gewann, um sich seinen großen Traum zu erfüllen: „Mein Körper ist für diese athletische Klasse zwar nicht mehr perfekt. Aber ich möchte meine olympische Karriere in meiner Heimat mit einer Medaille beenden.“