Sieg für Cavendish - Sturzfestival in der Bretagne
Cap Fréhel (dpa) - Mark Cavendish hat seine Kritiker vorerst einmal wieder zum Schweigen gebracht. Nachdem der Supersprinter am Montag leer ausgegangen war, schlug er am Mittwoch zurück und holte sich den insgesamt 16. Etappensieg seiner Tour-de-France-Karriere.
Im Ziel ist Mark Cavendish zuerst seinem Team-Kollegen Tony Martin um den Hals gefallen. Auch dank des deutschen Radprofis wurde dem Supersprinter eine große Last von den Schultern genommen. „Das war heute sehr schwierig - ich bin sehr glücklich“, jubelte der oft als „Bad Boy“ gebrandmarkte Profi des HTC-Highroad-Teams. „Es ist immer süß, Ignoranten zum Schweigen zu bringen“, sagte Cavendish an die Adresse seiner Kritiker.
Im Ziel der 5. Etappe in Cap Fréhel an der Bretagne-Küste war Cavendish nach 164,5 Kilometern zum Tagessieg gestürmt und hatte auf einer leicht ansteigenden Zielgeraden den Klassiker-Spezialisten Philippe Gilbert (Belgien) niedergekämpft. Bei der von Stürzen überschatteten Etappe verteidigte der Norweger Thor Hushovd sein Gelbes Trikot mit weiter einer Sekunde Vorsprung vor Cadel Evans. Andreas Klöden verteidigte seinen fünften Platz im Gesamtklassement.
Im stürmischen Finale war es laut Cavendish zu einem kleinen Zwischenfall mit Intimfeind André Greipel gekommen, der im Schlussspurt mit Rang sechs zufrieden sein musste. „Ich war mit Greipel zusammengestoßen und dachte schon, das wäre es jetzt. Dann habe ich aber noch einmal beschleunigt, und ich habe es mit Hilfe meiner tollen Jungs von HTC doch noch geschafft. Heute habe ich alles geben müssen“, sagte der 26-jährige Brite.
Der Coup von Cavendish war auf kompliziertem Terrain vorbildlich von seinen Team-Kollegen vorbereitet worden. Nachdem im Finale ein kleines Loch entstanden war, sah Martin an der 800-Meter-Marke fast wie der mögliche Sieger aus. Aber er bereitete nur das Feld für Cavendish, der seinen Mannschaftskollegen dann noch übersprintete und der Konkurrenz das Nachsehen gab. „Das zeigt, dass Cavendish einer der besten Sprinter der Welt ist“, meinte Martin, der in der Gesamtwertung auf Rang 11 weiter vorne mitspielt. „Der Sieg tut gut“, betonte HTC-Betreuer Erik Zabel.
90 Kilometer vor dem Ziel begann eine dunkle Serie von Stürzen. In den ersten folgenschweren Zwischenfall war Janez Brajkovic verwickelt. Der Slowene musste die Tour mit Kopf- und Schlüsselbeinverletzungen aufgeben. Der mit großen Ambitionen gestartete RadioShack-Fahrer war auf flacher Strecke bei relativ niedriger Geschwindigkeit mit weiteren Fahrern zu Fall gekommen. Er verletzte sich am Kopf, wurde kurz versorgt, bandagiert und versuchte weiterzufahren. Es hatte aber keinen Zweck: Brajkovic stieg vom Rad in den Krankenwagen.
Kurz danach stürzte Contador, konnte aber sofort wieder aufsteigen. Nach einer kurzen Aufholjagd erreichte der Spanier, den bereits im Lauf der 1. Etappe ein Massensturz gestoppt hatte, wieder das Feld. Der dreimalige Tour-Champion verletzte sich leicht an der Schulter. „Das war heute sehr schwierig. Nach meinem Sturz musste ich mein Rad wechseln - die Schürfwunde an der Schulter ist nicht von Bedeutung“, sagte Contador im Ziel.
54 Kilometer vor Cap Fréhel kam auch Ex-Weltmeister Tom Boonen zu Fall. Obwohl der Belgier über heftige Schmerzen in der rechten Schulter klagte und das Gesicht vor Schmerzen verzog, fuhr er weiter und kämpfte gegen die Disqualifikation wegen Zeitüberschreitung. Im Ziel hatte er 13:08 Minuten auf den Tagessieger eingebüßt, durfte aber im Rennen bleiben. Vor dem Boonen-Unfall hatte ein Begleit-Motorrad einen weiteren Sturz im Feld verursacht, dem der Däne Niki Sörensen zum Opfer gefallen war.
Die Streckenführung durch die Bretagne - besonders auf den letzten 40 Kilometern - dürfte nicht im Sinne der Hauptdarsteller gewesen sein. Enge Sträßchen, schmale, nicht optimal gesicherte Dorf-Durchfahrten mit vielen Kurven kennzeichneten das Finale, in dem die Sturzgefahr lauerte.