Charmeoffensive im Feindesland: Asarenka will den Sieg

New York (dpa) - Schon vor einigen Tagen wurde Victoria Asarenka gefragt, ob sie sich in diesem Jahr den Titel bei den US Open zutraue.

Die 24 Jahre alte Weißrussin hatte gerade mit sehr viel Mühe ihr Achtelfinale gegen Ana Ivanovic bestanden, legte den Kopf ein wenig zur Seite und lächelte den Fragesteller an. „Ja“, sagte sie. „Wenn ich nicht daran glauben würde, wäre ich nicht hier.“

Ob sie bereits einen Gedanken an ein mögliches Endspiel gegen Serena Williams verschwendet hätte, wollte einer wissen. „Nein, noch nicht.“ Ob sie die Auftritte der Nummer eins im Damen-Tennis beobachten würde? „Na ja, wenn sie gerade laufen, schaue ich schon manchmal hin. Aber ich sehe eigentlich nicht so viel fern. Außerdem waren ihre Matches immer so schnell vorbei“, sagte Asarenka.

Vier Tage nach dem unterhaltsamen Frage- und Antwort-Spiel kommt es in New York nun also tatsächlich zum Endspiel der Extraklasse. Nummer eins gegen Nummer zwei. Neuauflage des Vorjahres-Endspiels. Die 16-malige Grand-Slam-Turniersiegerin Serena Williams gegen eine von nur drei Spielerinnen, gegen die sie in diesem Jahr schon verloren hat. Und die einzige, gegen die sie gleich zweimal verlor.

„Im Alter von 24 Jahren kann Victoria Asarenka etwas von sich behaupten, was nur sehr wenige der erfahreneren Spielerinnen behaupten können. Sie hat ein Rezept, Serena Williams zu schlagen“, schrieb der US-Sportsender ESPN auf seiner Internetseite.

Die jüngere der Williams-Schwestern unterlag Sabine Lisicki im Achtelfinale von Wimbledon und Sloane Stephens im Viertelfinale der Australian Open. Gegen Asarenka verlor sie im Finale von Doha im Februar und bei der US-Open-Generalprobe im Endspiel von Cincinnati.

Asarenka weiß also, wie die bislang so dominierende Williams zu bezwingen ist. Im Endspiel am Sonntag aber steht nicht nur die Titelverteidigerin auf der anderen Seite des Netzes. Die Sympathien des lärmenden und rücksichtslosen Publikums im größten Tennisstadion der Welt werden nicht unbedingt aufseiten der 24-Jährigen aus dem weißrussischen Minsk liegen.

Dabei hat die früher oft so einsam und unnahbar wirkende Asarenka das amerikanische Publikum und die internationale Medienschar in den vergangenen zwei Wochen mit einer wahren Charmeoffensive umgarnt. In den Pressekonferenzen beantwortete sie lächelnd Fragen nach ihrem Freund, dem US-DJ Redfoo. Der ist nicht in New York, weil er in Australien in der Jury der Musiksendung „The X Factor“ sitzt.

Asarenka erzählte geduldig, welche Musik er für sie zusammengestellt hat (viele Remixes, mal Beastie Boys, mal Rihanna), welche Restaurants sie in New York am liebsten mag, dass sie schon auf dem Empire State Building war und im Musical Motown, oder wie viele Paar Schuhe sie so verschleißt während eines Turniers.

Anfang des Jahres noch hatte sie es sich mit dem Publikum in Melbourne gehörig verscherzt. Im Halbfinale hatte sie gegen die aufstrebende Amerikanerin Sloane Stephens kurz vor dem Ende eine umstrittene Zehn-Minuten-Pause genommen. Sie gewann das Spiel und zwei Tage später auch zum zweiten Mal die Australian Open, die Herzen der Tennisfans aber konnte sie nicht erwärmen.

In New York gelingt ihr das in den Spätsommertagen 2013 mit einer Mischung aus erfolgreichen Auftritten auf dem Platz und charmantem Auftreten abseits. „Ich bin das Baby“, sagte sie über die Tatsache, dass die drei anderen Halbfinalistinnen 31 Jahre alt waren. Sogar über ihre Zehenentzündung, die sie sich Anfang des Jahres bei der Pediküre zugezogen und die sie zur Aufgabe beim Turnier in Brisbane gezwungen hatte, plauderte sie mit den Journalisten.

Vor einem Jahr im Endspiel fehlten Asarenka bei der 2:6, 6:2, 5:7-Niederlage bei einer 5:4-Führung und eigenem Aufschlag im dritten Satz zwei Punkte zum Matchgewinn. „Ich hatte die Rede für die Verliererin schon im Kopf“, sagte Serena Williams damals. Asarenka sagte am Freitag: „Wir kennen uns so gut. Es wird darauf ankommen, wer es mehr will. Ich möchte das Match gewinnen. Das ist alles.“